Ich werde mutiger und bin auch mal zu Experimenten aufgelegt, daher habe ich für einen Termin beim Hausarzt schon im Vorfeld überlegt ob ich vielleicht mal ein Kleid trage und mir die zu erwartenden Situationen durchdacht.
Ja, direkten Kontakt zu fremden Menschen habe ich selten, zufällige Begegnungen in Geschäften oder auf der Straße sind wenig intensiv und da mache ich mir mittlerweile wenig Gedanken bzgl. Kleidung, ein Arztbesuch ist etwas anderes.
Ich habe keine Ahnung warum, aber dieses Mal sollte es keine Hose sein. Ich hatte mir schon zwei Tage vorher überlegt welches Kleid oder welcher Rock es werde sollte - verrückt. Die Entscheidung war gefallen, aber zwei Tage später auch hinfällig, nach einem radikalen Temperatursturz.
Nicht nur, dass das auserwählte Kleid viel zu luftig war, das Wetter hat mich auch meiner internen Ausrede beraubt, von wegen zu warm für eine Hose.
Also, Plan B .
Kleid der Wahl, aber mit Strumpfhose und Jacke, wärmeren Kleid/Rock anziehen oder doch Hose tragen?
Plan B wird letztendlich das wärmere Kleid, in dem ich den Termin wahrnehme.
Nach der Anmeldung muss ich noch kurz in Wartezimmer und nach dem “obligatorischen “Grüß Gott” der Wartenden werde ich gemustert.
Genau gemustert.
Von oben bis unten.
Und wieder zurück.
So kenne ich das nicht, ich bin es gewohnt kaum beachtet zu werden.
Nach 2 Minuten haben alle genug gesehen, und ich werde ins Sprechzimmer gerufen, und die Blicke durchbohren beim gehen gefühlt nochmals meinen Rücken.
Meine Ärztin nimmt gefühlt keine Notiz von meiner Bekleidung, aber sie kommt in Stocken, als sie mich bittet das Kleid abzulegen, weil es wider Erwarten doch stört.
“Können Sie bitte, äh, darf ich Kleid sagen?...”
Ja sie darf Kleid sagen, was sonst

Sonst gab es keine weitere Reaktion.
Ich fand es interessant, sie hatte, wie anfangs auch meine Frau, ein Problem damit, ein Kleid an einem Mann als solches zu bezeichnen.
Für meine Frau gab es früher auch nur “lange Pullis” oder “lange Hemden”, jetzt wird ein Kleid auch als solches benannt, und sie erzählt auch mal ganz freimütig, unwissenden Leuten, dass ihr Mann auch gerne Kleider trägt.