Hallo Tine!
Mehrfach kam explizit: "eine Frau" sieht im Rock hübscher aus... Geschmacksache, hätte ich gesagt. Aber warum sehen viele Leute das so und "wehren" sich gleichzeitig gegen Männer im Rock?
Haben wir eigentlich einen Psychologen unter uns, der das mal erforschen könnte? 
Ich bin kein Psychologe, und ich denke, die Frage sollte man eher einem Soziologen stellen -- der ich auch nicht bin. Ich kann nur meine Beobachtungen zum Besten geben.
Der Rock, von dem hier immer wieder die Rede ist, ist in der Vorstellung des einzelnen Lesers sicher immer ein Rock, der nicht bis zum Boden geht. Ich kann gerne in der Zukunft mal in meinem Bekanntenkreis dazu entsprechende Fragen stellen, aber der Rock mit der größten Assoziationsstärke ist sicherlich eher ein Midi- oder Minirock. Beiden gemein --letzterem noch mehr als ersterem-- ist, dass sie das Bein entblößen, Haut zeigen, den Körper ein Stück bloßstellen.
Wenn ich mir die Seh- und Kleidungsgewohnheiten anschaue, dann sehe ich, dass es in unserer Gesellschaft keine Kultur männlicher Entblößung abseits des Sports oder schwerer körperlicher Arbeit gibt. Entblößung zu ästhetischen Zwecken ist eine Domäne von Frauen, und Mode und Ästhetik gehören zusammen, wenn sie auch nicht deckungsgleich sind. Es gibt also eine Kultur der weiblichen Entblößung, die Ästhetik bedienen soll, aber auch der körperlichen Anbiederung, der körperlichen Gefälligkeit dient. Unsere Gesellschaft sieht so etwas für Männer nicht vor.
Der Körper des Mannes ist nichts, was gefallen soll, dementsprechend wird er verpackt oder nur ausnahmsweise entblößt. Er wird in keinem Falle attraktiv präsentiert. Da ein Rock gegenüber einer Hose gewisse Nachteile hat --schwere, körperliche oder gefährliche Arbeiten lassen sich darin eher schlecht denn recht durchführen, und zählen wir mal Kämpfen und Sport treiben dazu--, Männer aber nicht eitel sondern pragmatisch sein sollen, liegt hier ein Konflikt vor: Für legere Stunden deutet ein Rock zuviel selbstbewusste Eitelkeit beim Mann an, den eigenen Körper zu entblößen, für Arbeiten ist er nicht praktisch genug. Ich will nicht damit sagen, dass dies meiner Meinung entspricht, nur meiner Auffassung, wie andere Menschen das unbewusst einordnen können.
Vorkämpfer für eine Kultur der männlichen Entblößung wiederum müssen sich den Fragen stellen, warum sie in Gefilden der Frauen wildern und ob da nicht eine Identitätsstörung vorliege. Körperlich gefallen zu wollen, wird sehr eng mit der Rolle der Frau assoziiert, weswegen Frauen modisch große Freiräume eingeräumt werden. Selbst der aktuelle Boyfriend-Look versucht ja den Spagat zwischen 'männlicher' Verhüllung und 'weiblicher' Entblößung, indem z.B. der Schritt der Hose zwar sonstwo sitzt, die Waden aber entweder frei oder hauteng verhüllt sind.
Eine Kultur der 'männlichen' Entblößung erfordert meines Erachtens, dass Männer und Frauen auch Männern zugestehen, körperlich gefallen zu dürfen. Solange aber solche Versuche als 'schwul' oder 'tuntig' oder anderweitig diffamiert werden, wird weder die Mehrheit der Männer dazu zu bewegen sein, sich auch mal in einem Rock zu zeigen, noch die Mehrheit der Frauen dazu, solche Männer attraktiv zu finden. Vergessen wir nicht, dass viele Frauen unbewusst auch den gesellschaftlichen Status eines Mannes in der persönlichen Attraktivität einbuchen. Bescheidenheit, Unauffälligkeit und Bodenständigkeit werden gesellschaftlich bei Männern immer noch höher bewertet als körperliche Gefälligkeit und modische Experimentierfreude. Ausnahmen sind natürlich möglich.
Zuguterletzt: In den vergangenen 3 oder 4 Jahren habe ich mich an den Gedanken gewöhnt, dass die Sache mit dem 'schönen Geschlecht' eine Mär ist, eine Propagandalüge, wenn man so will. Frauen sind nicht per se schöner als Männer und ihre Schönheit ist dazu noch oftmals vergänglicher. Männer machen nur selten was aus sich, so dass man ihre Schönheit mitunter aufwendig suchen muss. Frauen hingegen können das ganze Repertoire modischer und kosmetischer Möglichkeiten nutzen. Bei denen, die das nicht tun, sieht man auch nur schnöde Banalität. Allein eine ordentliche Frisur kann den Unterschied ausmachen zwischen 'will ich gar nicht genauer betrachten' und 'Wow!'. Ansonsten findet man fliehende Kinne, müde Blicke, eingesackte Haltungen, hängende Mundwinkel und was weiß ich noch alles auch bei Frauen fast so häufig wie bei Männern[1]. Ich sehe allerdings auch, dass Frauen, die sich mit ihrem Äußeren ein wenig Mühe gegeben haben, eher lächeln und eher glücklich zu sein scheinen (gilt übrigens nicht für Mädchen, warum auch immer). Was da was bewirkt, kann jeder selbst überlegen.
LG
Masin
[1] Da Mädchen und Frauen sich eher mit dem Konzept der körperlichen Gefälligkeit identifizieren können, würde ich doch glatt erwarten, dass z.B. kieferorthopädische Behandlungen tendenziell häufiger bei ihnen als bei Jungens und Männern durchgeführt werden. Auch die leicht andere Ernährungsweise in Form von mehr Obst, Gemüse und Nüssen dürfte einer gesunden und geraden Kieferentwicklung zugutekommen. Dann bekommen Mädels auch nicht so häufig Verletzungen, die Narben nach sich ziehen, und in der Pubertät achten sie wohl mehr als Jungens auf reine Haut, wodurch sich auch weniger Pickelnarben bilden.