Richtig, eine Erfahrung kann auf den ersten Blick weder gut noch schlecht sein, denn sie ist ja nur Wahrnehmung. Aber die Wahrnehmung führt zu einem Eindruck, der dann schon sehr unterschiedlich trotz gleicher Wahrnehmung ausfallen kann. Da uns die Sinne von der Natur gegeben sind, damit ein Lebewesen erfolgreich in seinem Habitat leben kann, ist es schon wichtig, auch der Wahrnehmungsverarbeitung Beachtung zu schenken.
Leider ist es oft sogar so, dass schon die reine Wahrnehmung unterschiedlich ausfallen kann, weil das wahrnemende Organ unterschiedlich geeicht ist. Das zeigen Verkehrstauglichkeitstests, wo die Teilnehmer nach der Anzahl der Ampeln gefragt werden und tatsächlich unterschiedliche Angaben zur gleichen Filmsequenz machen.
Krass wird es, wenn Versuchspersonen eine politische Talkschow sehen und aufschreiben was sie gehört haben. Jeder schreibt etwas anderes auf. Hier haben wir es neben der selektiven Wahrnehmung obendrein mit einer Wahrnehmungsverzerrung (Confirmation bias) zu tun, die deutlich wird, wenn man das Aufgeschriebene mit der politischen Haltung der Versuchspersonen abgleicht. Die Leute lassen tendentiell das weg, was ihnen nicht politisch gefällt oder werden detaillierter, wenn es ihrem politischen Denken zusagt.
Wenn du dann mit dem Therapeuten die Plätze tauscht, kann es sein, das du tatsächlich mit deiner Erfahrung die therapeutische Kompetenz erweiterst, aber eventuell auch gleichzeitig reduzierst, weil andere Erfahrungen fehlen. Wir können nie alle Erfahrungen haben. Da sollte ein Psychologe wenigstens die Erfahrungen gesammelt haben, die Erfahrene in ihre Bücher geschrieben haben.