Meine zweite, aussagekräftigere Antwort ist:
Ihr greift genau als Thema das auf, was ich immer und immer wieder mit den "Proportionen" beschreibe.
Wenn die Proportionen stimmen, dann ist das "augenfällig" bzw. für die Augen angenehm. Wenn sie nicht stimmen, dann sind die Proportionen gestört und es fehlt an Stimmigkeit.
Letztlich redet Ihr vom "Goldenen Schnitt".
Hier werden verschiedene Längenmaße zueinander ins Verhältnis gesetzt.
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geht der Autor von einer optischen Idealverteilung am Körper von ⅔ Unterteil und ⅓ Oberteil aus.
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Das ist eine gute Annäherung an den Goldenen Schnitt, denn der besagt:
Gesamtlänge 100%
Teilstück 1: 38,2 %
Teilstück 2: 61,8 &
Euer Diskurs ob mit Kopf oder ohne Kopf usw. zeigt, dass da noch mehr mit im Spiel ist.
Denn einfach nur die Längenverhältnisse der Kleidung in gegenseitige Abwägung zu beziehen, reicht nicht. Denn es bestehen ja noch weitere Abmessungen in der Gesamterscheinung, die harmonisch in ein Gesamtbild integriert werden müssen, um ein wohlgefälliges Aussehen zu erzeugen.
Da spielt eben sicherlich auch der Kopf mit eine Rolle, also nicht zuletzt auch die Gesamtgröße. Aber auch die Gesamtbreite (Schultern z.B.) Auch die anderen Teile, die nicht von der primär bildgebenden Bekleidung bedeckt werden: unten die Beine z.B., nicht zuletzt auch Schuhgröße und auch die Proportionen der Schuhbekleidung.
Um es mal nicht so komplex auszudrücken:
Es macht schon einen gewaltigen Unterschied, wenn Du Oberteil X mit einem Rock kombinierst, wenn der Rock füllig und ausladend ist, z.B. ein Faltenrock mit breiten Falten, oder einen schmal anliegenden Bleistiftrock verwendest.
Die Linie des "Wohlgefallens" zwischen Oberteil und Rock verschiebt sich je nach Rockart. Es sind also nicht nur rein die Längen, die diese beiden Kleidungsstücke als stimmig erscheinen lässt, sondern auch die Weite bzw. optische Breite dieser Kleidungsstücke.
Und da kann bei einem fülligeren ausladenderen Rock es dazu führen, dass ein längeres, aber weiteres Oberteil stimmiger aussieht, oder aber ein kürzeres, dafür engeres Oberteil. Nur mal als Beispiel.
Und da spielt - macht alles noch komplizierter - nicht nur der einfache Goldene Schnitt eine Rolle, sondern durchaus auch dessen Vielfachen, um letztlich harmonisch zu wirken.
Und der Goldene Schnitt ist bereits seit den alten Griechen bekannt. Und vielen Künstlern und Architekten der Geschichte wird nachgesagt, dass sie die Regel des Goldenen Schnitts angewendet haben. Das allerdings muss nicht unbedingt sein. Denn der Goldenen Schnitt beschreibt mathematisch ein harmonisches Ordnungsprinzip, dem ästhetisches Empfinden unterliegt. Intuitiv führt oft das Abwägen von "Stimmigkeit" zum Goldenen Schnitt.
Und je mehr Proportionen Deines Outfits zueinander dem Goldenen Schnitt nahekommen, desto stimmiger sieht es aus. Nicht nur für Dich, auch für andere.
Und das ganz unabhängig von "Sehgewohnheiten". Untersuchungen haben ergeben, dass Menschen unterschiedlichster kultureller Prägungen - auch Völker aus dem Urwald, die mit moderner Kultur fast nicht in Berührung kamen - das alles genauso empfinden.
Der Goldene Schnitt besagt z.B. dass ein harmonisches Teilungsverhältnis (harmonisches Mittel) einer Gesamtstrecke in gleichen Längenverhältnissen geteilt wird. Also z.B. Teilstrecke AB verhält sich proportional zu Teilstrecke BC, wie Teilstrecke BC zu Gesamtstrecke AC. Setzt man die Gesamtstrecke AC als 100 % kommt man zu den eingangs erwähnten Prozentzahlen 38,2 und 81,8.
Diese rein mathematisch betrachte "harmonische" Verteilung kommt überall vor:
Bei Buchformaten z.B., oder bei der Aufteilung, an welchen Stellen das Blatt für Text verwendet wird (den Blattspiegel z.B. betreffend).
Bei Ornamentik an Gebäuden aus verschiedenen Epochen.
Bei Gebäudeproportionen der verschiedenen Epochen.
Im Kommunikationsdesign, z.B. bei Verpackungen und deren grafischer Gestaltung.
Bei Naturvölkern.
Selbst Bienen fliegen auf den Goldenen Schnitt - im wahrsten Sinne des Wortes.
Denn der Goldene Schnitt findet sich in vielen Proportionen in der Natur wieder. Bei Schneckengehäusen, bei Blattformen an Pflanzen, bei sehr vielen - Stichwort Bienen - Blüten.
Der Goldene Schnitt ist nicht nur eine mathematische Erfindung, sondern nahezu eine natürliche, ja, kosmische Ordnungkonstante. Sie beruht ganz offensichtlich auf den physikalisch beschreibbaren Ordnungsprinzipien der Materie - auch in ungestört wachsenden, unbelebten Kristallen findet sich der Goldene Schnitt wieder.
Wir mit unserem ästhetischen Empfinden unterliegen also nicht nur unseren Sehgewohnheiten, sondern einem kosmischen und makrokosmischen Prinzip.
Und es gelingt uns am besten an uns selbst zu erschaffen, wenn wir uns nicht nur auf die Länge der sichtbaren Kleidungsstücke beziehen, sondern uns mit allem, was uns ausmacht, als Einheit ansehen und alle Einzelkomponenten miteinander in Beziehung setzen. Also: letztlich spricht auch unsere Frisur und unsere Kopfform ein Wort mit, welche Kleidungsstücke in welcher Länge, Weite und Form an uns stimmig aussehen.
(Und da haben wir noch nicht einmal über Muster und Farben gesprochen...

)