Lieber Micha und alle anderen,
ich möchte gerne Deinem Beitrag Nr. 2 v. 4.10.24 in zwei Punkten widersprechen, ohne, das betone ich ausdrücklich, alle Texte der nachfolgenden 3 Seiten gelesen zu haben:
Du schreibst, gendern" bedeute, die Geschlechter sichtbar zu machen, damit man sie auseinanderhalten kann. Im Gegenteil bezieht sich gendern, sofern ich es richtig verstehe, laut Wickipedia auf den bewussten Einsatz von geschlechtergerechter Sprache, um alle Geschlechter gleichberechtigt und ohne Vorurteile zu repräsentieren.
Du schreibst weiter, "Liebe Kollegen" ist generisches Maskulinum, wenn man alle anderen Geschlechte mitmeine. Abgesehen davon, daß ich mich frage, wie die Angesprochenen wissen können, ob ich alle Geschlechter mitmeine, ist gerade doch diese Formulierung von Vertretern des genderns geächtet, da es ihrer Auffassung nach das genaue Gegenteil aussagt.
Um zum Thema selbst etwas beizutragen: ich bin zwar nicht Fan von Mario Barth, dem Komödianten für das intellektuell eher prekäre Publikum (T-Shirt-Aufdruck: ich gendere nicht, ich habe einen Schulabschluß), aber auch bin gegen gendern. Den Grund sehe ich einfach in meiner Definition der gebräuchlichsten Orthographie-Trickserei: dem Asterisk bzw. Unterstrich. Beide zeigen eben nicht, wie behauptet, die (gleichberechtigte) Existenz aller Geschlechter auf, sondern benennt im Grunde nur Männer und Frauen: Minister_innen: also Minister und Ministerinnen. Wo bleiben dabei die Transfrauen und -männer, die Geschlechtslosen, die keinem der Geschlechter angehören wollen? Das Gleiche gilt für die Verwendung beider sprachlichen Geschlechter bei der Nennung von Gruppen (Forscher und Forscherinnen).
Dieses gendern führt also meinem persönlichen Urteil zum ungewollten Gegenteil, was die Befürworter(innen) in meinen Augen in ihrer Verblendung übersehen.
Nur am Rande: ich habe es in letzter Zeit nicht weiterverfolgt, aber zumindest bis vor ein, zwei Jahren waren all diese Sprachkarikaturen und -vergewaltigungsversuche laut Duden bzw. Rat für deutsche Rechtschreibung kein korrektes Deutsch, punktum! Daran ändern auch alle weichgespülten vornehmlich TV-Öffentlichen nichts, die in vorauseilendem Gehorsam dieses pervertierte Deutsch propagieren. Es ist so erholsam, wenn Jan Böhmermann diesen Unsinn auf die satirische Spitze treibt, wenn er sein Publikum mit „meine Damen und Herren und alle dazwischen und außerhalb“ anspricht.
Es ist darüber hinaus ein augenfälliges Symptom sprachlichen Niedergangs, denn nicht nur das Gendern weist auf immer weniger Kenntnis der Semantik hin. Die Fähigkeit, richtig zu konjugieren, nimmt immer mehr ab, immer häufiger wird jemand von hier nach dort „geschliffen“ statt geschleift, jemand „hang“ statt hing die Wäsche auf...
Weiteres Symptom ist die inflationäre Verwendung von „zwischen“, wenn „von bis“ gemeint ist. Es ist mittlerweile so häufig, daß aus dem Kontext heraus ermittelt werden muß, was nun gemeint war. Beispiel: „Schüler_innen (natürlich mit Unterstrich) zwischen 12 und 13 Jahren...“ Wäre es nicht so traurig, könnte man sich totlachen über diesen sprachlichen Unsinn: diese Formulierung kann genau betrachtet nur 12jährige Schüler am Vorabend ihres dreizehnten Geburtstags im Moment zwischen 23.59 und Null Uhr meinen, da sie in der nächsten Sekunde ein Jahr älter sein werden.
Das gendern macht allein schon deshalb keinen Sinn, weil im Deutschen nichts Sinn „macht“, niemand ist fähig, eine Situation herbeizuführen oder eine Maschine zu konstruieren, die in der Lage ist, Sinn zu produzieren: zu machen. Im korrekten Deutsch ergibt etwas Sinn oder ist etwas sinnvoll.
Wahrscheinlich sind die beiden letztgenannten Beispiele deutliche Zeichen dafür, wie die ebenso inflationäre Übernahme von Anglizismen, die häufig kein Englischsprachiger versteht, weil falsch übernommen, auch die englische Grammatik übernimmt: im Englischen ist „it makes sense“ richtig, aber eben nur dort, nicht im Deutschen!
Es gibt nicht viel, was uns Deutsche in seiner Gesamtheit prägt, verbindet, wenn nicht sogar zusammenhält: die deutsche Sprache, wobei ich großzügigerweise deren Karikatur, das Sächsische, miteinbeziehe (kleine Gemeinheit am Rande). Wenn aber die Verwahrlosung des Deutschen derart fortschreitend, befürchte ich, muß in absehbarer Zeit „finis germania“ geurteilt werden.
Und zum bösen Ende eine Bitte an den Moderator des Forums: denselben Beitrag, den ich irrtümlich in den Thread "Männerrockausblick basierend auf den..." gepostet habe, zu löschen, Danke!