So, der Film ist vorrüber, jetzt schreibe ich noch was.
Es gibt viele Wörter, die von den Nazis missbraucht wurden, so z.B. auch "Heimat". Und "Patriotismus" ebenso. Gehe ich aber jeweils an den vornazistischen Wortgebrauch zurück, dann fällt mir folgendes ein:
a) "Heimat" bezeichnet das Land oder die Gegend oder auch die Stadt oder das Haus, in dem oder der man daheim ist, sich heimisch fühlt usw.
b) "Patria" oder "Vaterland" bezeichnet das Land des Vaters oder der Väter.
Wenn ich beides eben auf unsere postmigrantische Gesellschaft übertrage, bleibt doch:
a) Heimat kann ein Land auch für Eingewanderte werden.
b) Vaterland kann es frühestens für die Kinder eingewanderter Männer werden.
zu a) "Heimat", so verwendet, schließt niemanden aus, außer denen, die woanders daheim sind, also Reisende, die nur zu Besuch sind.
zu b) "Vaterland", so verwendet, schließt die aus, deren Väter woanders daheim waren. Selbst wenn die Mutter aus dem Land kommt, reicht es nocht nicht aus, denn sonst wäre es das Mutterland.
Deswegen bevorzuge ich das Wort "Heimat". Es ist geschlechtsneutral und generationenneutral und schließt alle ein, die in der so benannten Region daheim sind.
Missbraucht werden können beide Wörter. Es gibt immer Leute, die anderen nicht gönnen, auch da daheim zu sein, denn wer da daheim ist, nimmt auch das Recht für sich in Anspruch, darüber mitbestimmen zu können, wie die Gesellschaft aussehen und in welche Richtung sie sich entwickeln soll. Darüber gibt es ja eh immer Streitereien, und jemanden als "Ausländer", "Imi", "Reigschmeckter" oder so zu bezeichnen, ist immer wieder eine Methode, ihm das Recht auf Mitsprache zu verwehren.
"Nationalismus" ist noch was anderes. Sicher kann man, wenn man ihn von "nasci" = "geboren werden" ableitet, auf jede Identitfikaton mit einer Gegend, in der man geboren ist, anwenden. Aber eine Nation im engeren, moderneren Sinne, ist eine Idee von einem Volk mit einer gemeinsamen Geschichte, Grenze, Sprache, allgemein Kultur usw. Mit dieser Idee wurden Länder im 19. Jh. im Inneren vereinheitlicht und gegenüber dem Äußeren abgegrenzt. Während die Menschen in der Steinzeit in Kleingruppen lebten, in denen jeder jeden kannte, sind die modernen Nationen viel größere Einheiten, oft aus mehreren Millionen Mitgliedern bestehend.
Nationalismus heute ist oft so was wie eine Übertragung der Kleingruppensolidarität auf die nationale Solidarität. Oft wird diese Nation genau wie früher die Kleingruppe gegen andere Nationen abgegrenzt.
Es gibt aber auch noch eine andere Entwicklungsmöglichkeit: So wie die Kleingruppen zu Stämmen, diese zu Stammesverbünden, diese zu Nationen wurden, so können die Nationen zu Nationenverbünden werden bis hin zu einer gobalen Gesellschaft. Diese Entwicklung haben wir ja seit 2000 Jahren zunehmend in Europa und darüber hinaus. Was z.B. meine Zugehörigkeit angeht, so kann ich sagen, dass hier im Rheinland nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches verschiedene keltische und germanische Stämme lebten. Später war das Rheinland Teil des Frankenreiches. Danach waren es verschiedene, einander abwechselnde Herrschaften im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, dann das Deutsche Reich in drei Aufzügen, dann Teil der Bundesrepublik Deutschland, zuerst als West-, dann als Gesamtdeutschland (ohne die ehemals deutschen Gebiete, die jetzt zu verschiedenen Nachbarstaaten gehören). Dieses Deutschland ist Teil der EU, die EU Teil Europas, und Europa ist Teil der gobalen Menschheit, vertreten durch die UN. Insofern kann man sagen, dass die Nationen so etwas wie Entwicklungsschritte darstellen. Das Ende wäre eine vereinte Menschheit. Oder es geht danach noch weiter, interplanetarisch, interstellar usw. aber das ist noch SF.
Allerdings gibt es auch auf der globalen Ebene Kämpfe um Ressourcen. Und diese Kämpfe bringen Verlierer mit sich, die z.T. ihr Heil wieder in kleineren Einheiten, die unabhängig sein wollen, suchen. Diese Bewegung kann zu Nationalismus führen oder zu Regionalismus oder aber zu Religionismus, wenn man die eigene Religionsgemeinschaft als die eigene Gruppe favorisiert. Manche Forscher verwenden hier gerne den Begriff "Stammesdenken", egal, ob dieser "Stamm" nun eine Nation, eine Regionalbevölkerung, eine Religionsgemeinschaft oder auch ein Fußballverein ist. Dieses Stammesdenken wird derzeit global sehr laut. Eine Ursache sehe ich in der ungerechten Verteilung der Ressourcen, in der Gewinnmaximierung privater Unternehmen, die global handeln, dann aber auch in der Migrationsbewegung von unfreien in freie und von armen in reiche Gesellschaften, die wiederum auch Folge der vorher beschriebenen Ursache ist.
Wo wäre jetzt Patriotismus im Holgerschen Sinne einzuordnen? Wo Heimatliebe in meinem Sinne?
LG, Micha