Lieber Morle,
Danke dass Du Deine Gedanken mit so viel Herzblut teilst.
Manches sehe ich anders, zu manchem habe ich keine Meinung weil mir tiefgreifendere Kenntnis fehlt, so manches was Du schreibst habe ich inhaltlich nicht verstanden. Und ja, es steckt da auch bestimmt Polemik mit drin, in dem, was Du schreibst.
Ganz zentral habe ich in Deiner Botschaft das empfunden:
Hinzu kommt die vor allem uns Rockträgern sehr bekannte weibliche Borniertheit, die es als selbstverständlich ansieht, daß Frauen Hosen tragen dürfen, ohne auch nur im Geringsten unweiblich oder Crossdresserinnen zu sein, aber Männern das Äquivalent, Rock tragen zu dürfen, ohne unmännlich oder Crossdresser zu sein, abspricht.
Also Du scheinst Dich benachteiligt zu fühlen, dass Dein Rocktragen und überhaupt das Rocktragen von Männern nicht breitgesellschaftlich anerkannt wird. Und ja, ich schwinge mich da bei Dir mit ein. Viel zu sehr vermute ich einen weitverbreiteten vorauseilenden Gehorsam der Männer, sich einfach erst gar nicht das gleiche Recht auf modische Freiheit zu nehmen.
Und viele unsereiner hier im Forum werden von Frau und Familie ausgebremst.
Ich kenne die häufigen Argumente von früher aus den 80er und 90er Jahren, wo Frauen sagten:
"Dass Frauen Hosen tragen ist normal."
"Frauen tragen Damenhosen."
Gegen diese zwei Hauptargumente kann man zwar vernünftige Gegenargumente bringen, damit errreichte man aber diese Frauen nicht, die die obigen Sätze oder ähnlich gelagertes als Definition ausgesprochen haben. Argument gesagt, ist so, Punkt!
Die Strömung, diese beiden Hauptargumente als einzig gültige Antwort auf jedes männliche Aufbegehren in Sachen Kleidung abzuwürgen, ist in den letzten 20 Jahren zum Glück deutlich abgeebbt. Aber - sie ist nicht ausgestorben.
Und falls sich Männer doch mal auf dem Rechtsweg sich das Recht auf Röcke oder Kleider z.B. im Job einklagen sollten - wer weiss, vielleicht entscheidet das Gericht in erster bis letzter Instanz ja auch auf Grundlage dieser zwei Hauptargumente!
Es könnte in diesem Fall zwar sein, dass in puncto "Gendergerechtigkeit" da doch anders entschieden würde - dass also dieses "Gender-Gedöns" ein klein bisschen uns zu unserem Recht verhelfe. Bevor es aber bis in höchster Instanz kommt, und überhaupt zu einer Klage kommt, werden mit Sicherheit an vielen Stellen und Ebenen (Firmenleitungen) vorgerichtlich derlei kontra-Rock-am-Mann-Entscheidungen getroffen werden, weil es z.B. als "geschäftsschädigend" deklariert wird.
Im privaten Umfeld aber haben wir ja mehr Freiheiten und sollten die auch nicht ungenutzt lassen. Wenn wir sichtbar werden, dann erreichen wir ganz subversiv, zwar langsam, dass Röcke am Mann nicht mehr vollkommen unüblich sind.
Ich denke, das ist die Kraft, die in uns allen steckt, zumindest privat sich nicht den Rock zu verbieten - oder gar verbieten zu lassen.
Das alles führt aber jetzt schon zu der aus meiner Sicht berechtigten Frage: wird es nicht Zeit, möglichst prominent und laut Gerechtigkeit zu fordern, sehr laut feminine Diskriminierung anzuprangern und gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß sehr wohl, auch nicht zuletzt gegen männliche Rockträger, ebenfalls maskuline Diskriminierung stattfindet und nicht zu knapp
Ja, Morle, das kann sein, dass wir uns mit einer gemeinsamen Stimme artikulieren sollten, vielleicht jetzt und nicht erst in 15 Jahren.
Wir vom Forum hatten ja schon einmal eine Vereinsgründung angedacht, ist aber letztlich wegen nicht scharf abgrenzbaren gemeinsamen Zielen und wegen dem zu erwarteten Aufwand einiger zentraler, den Verein tragenden wenigen Einzelpersonen auf erstmal vllt. unabsehbare Zeit gescheitert.
Nochmal: unsere Kraft liegt in unserer eigenen individuellen persönlichen Selbstverantwortung, uns als existentes Merkmal der Gesellschaft in eben dieser Gesellschaft zu zeigen: Also Rocktragen, Rocktragen, Rocktragen.
So trägt jeder von uns bei, dass der Rock am Mann üblicher wird.
Drum rate ich auch Dir, Morle, jetzt wo die Temperaturen wieder über 18 Grad gestiegen sind, dass auch Du jede Gelegenheit Dir nimmst, Rock zu tragen und damit schöne Stunden zu verbringen. Diese Erfahrungen kann Dir keiner mehr nehmen.
Und vielleicht lassen sich so manche Verbitterungen dann auch leichter ertragen, wenn Du für Dich selbst ein bisschen Freuden gönnst.
Ich hoffe nicht, dass Du selbst diesen althergebrachten zwei Hauptargumenten aus der (vielfach alternden) Damenwelt ausgesetzt bist. Falls doch, atme tief durch und stelle die Frage, wer sich denn das Recht herausnimmt, über Dich zu entscheiden, während die Person mit jenen Argumenten sich selbst alle Freiheiten nimmt.
Lass Dich nicht unterkriegen, Morle. Das Leben ist jetzt auch schon schön. Nimm Dir die schönen Momente! Nimm Dir die schönen Momente zu Herzen. Und eine Alice Schwarzer oder wen Du sonst noch nanntest, hat erst recht grad gar nichts über Dich zu bestimmen. Auch nicht über Deine Gedanken!
Besten Gruß
Wolfgang
P.S.: Lass uns auch an Deinen schönen Momenten teilhaben.
Und falls mal wieder die Hose drückt, lass uns es wissen.