Lieber Lars, lieber Harry,
ich glaube, wir sind da so ziemlich auf einer Wellenlänge.

Lieber Berliner Kerl,
Du schreibst:
@ Gregor
Ich verstehe dich und kann es nachvollziehen.
Das trifft auf mich auch zu. Nur weil ich ihn verstehe und seine Empfindungen nachvollziehen kann, erlaube ich mir, ihn zu kritisieren. Ohne Verständnis sollte man niemanden kritisieren, sondern lieber nachfragen.
Natürlich kann es immer noch sein, dass ich nur meine, ihn zu verstehen, ihn aber in Wahrheit falsch verstehe.
Ich kenne das Gefühl der Peinlichkeit, wenn ich annehme, dass das, was ich gerade tue, anderen missfällt. Ich höre zum Beispiel gerne deutsche Volksmusik, sogar den Heino, aber wenn ich diese Musik höre und bestimmte andere Menschen kommen in den Raum, habe ich das Gefühl, von ihnen schräg angesehen zu werden. Das ist so ein gängiges Peinlichkeitsgefühl. Aber diesem Gefühl muss ich ja nicht nachgeben, weder indem ich dann andere Musik auflege, noch indem ich Hosen anziehe, noch indem ich zu einem Mann mit Kleid und Stöckelschuhen sage, ich wolle mit ihm zusammen nicht gesehen werden.
Bei Dir, Berliner Kerl, frage ich mal nach, was es mit diesen beiden Aussagen auf sich hat:
1.
Ein Mann im Rock zieht sich noch bewusst Damenstiefel, FSH, und ein Oberteil mitSpitze
verziert an. Er meint, dass er stimmig ausschaut. Aber was sagt die Öffentlichkeit?
Ich toleriere, aber werde dies nie akzeptieren.
2.
Ich habe mein Auftreten mit dem Rock für mich Akzeptiert und toleriere dies zu jederzeit. Aber werde
immer noch meine Meinung zu meinen Mitmenschen haben.
Meine Frau akzeptiert das, wird es aber nie tolerieren.
Was bedeuten die Wörter "tolerieren" und "akzeptieren" in diesen beiden Sätzen. Du tolerierst die beschriebenen Männer, akzeptierst sie aber nicht, Deine Frau akzeptiert Dein Rocktragen, toleriert es aber nicht. Da blicke ich jetzt nicht mehr durch. Erkläre mir das bitte mal.
Dann schreibst Du
Nun, nur weil man sich entwickelt, wird man sich selbst und die eigene Meinung nicht über Bord
werfen und sich ändern. Vielleicht ganz junge Menschen, aber das gilt bestimmt nicht für uns
alten Hasen.
Ich meine doch: Solange man sich weiterentwickelt, so lange ändert man auch seine Meinungen, sofern man die alte Meinung als falsch erkannt hat. Natürlich nicht, wenn man sie als richtig erkannt hat.
Du hast allerdings recht damit, dass ältere Menschen sich weniger weiterentwickeln als jüngere. Zumindest trifft das auf die meisten zu. Ich kenne allerdings ältere Menschen, die sich immer noch weiterentwickeln und das sogar mehr, als manche andere jüngere Menschen, die ich auch kenne. Das mögen Ausnahmen sein. Aber so ist das nun mal mit der Elite: sie besteht aus Ausnahmen.
Also ich bin lieber eine Ausnahme, die sich weiterentwickelt als ein Durchschnittsmensch, der zu früh damit aufhört.
Unter dem heute so beliebten Schlagwort "lebenslanges Lernen" wird zumeist verstanden, dass man sein Leben lang flexibel für den sich ständig ändernden Arbeitsmarkt bleibt. Das meine ich aber nicht, wenn ich von lebenslanger Weiterentwicklung spreche, sondern das was Lars eine seelische Entwicklung nennt. Die aber kann man nicht erzwingen. Aber nur weil man sie nicht erzwingen kann, heißt das doch nicht, dass man nicht Werbung für sie machen kann oder gar sollte. Und wenn ich von meinem aktuellen Entwicklungsstadium aus einen Respekt für Menschen in ihrer Andersartigkeit entwickelt habe, dann argumentiere ich auch dafür, dass andere diesen Respekt aufbringen sollten. Es geht mir aber nicht darum, alles zu respektieren oder auch nur zu tolerieren, sondern die Grenze ist da, wo ein Mensch einem anderen Schaden zufügt. Und auch da, wo er andere Menschen an ihrer seelischen Entwicklung hindert, was ihnen ja auch Schaden zufügt.
Desweiteren argumentierst Du, dass weil wir Rockträger von den Massenmenschen nicht aktzeptiert würden, wir die Männer in anderer Damenbekleidung auch nicht akzeptieren müssten.
Das bedeutet doch soviel wie, dass wir uns lieber an die Massenmenschen anbiedern sollten, um von ihnen akzeptiert zu werden und zugleich mit den Massenmenschen zusammen die Damenkleidungsträger ausgrenzen dürfen. Nach dem Motto: Wenn wir uns mit den Massenmenschen gemein tun geht es uns besser, als wenn wir uns mit den Damenkleidungsträgern solidiarisieren, weil eben die Massenmenschen die stärkere der beiden Gruppen sind.
Es geht Dir also nicht um Minderheitenrechte als Menschenrechte, sondern nur darum, von der Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder akzeptiert zu werden, auch wenn Du dafür andere Minderheiten ausgrenzen musst.
Verstehe ich Dich so richtig?
Die Frage geht auch an Gregor und q-rocker.
Verstehe ich Euch so richtig?
Sollten wir Damenkleidungsträgern den menschlichen Respekt verweigern, damit die Massenmenschen uns Rockträger akzeptieren?
LG, Michael