Die Frage ob ein Kleid ein Mänerkleid ist, ist in der Tat nur dann von Bedeutung, wenn jemand mit der Behauptung, es sei keines, begründen versucht, daß man dieses Kleid nicht tragen solle. Wenn es nicht paßt, weil die Brustabnäher für ungefüllten Raum bieten, die Schultern zu eng sind, das Verhältnis von Tallien- und Beckenweite nicht das des Träger ist oder das Oberkörperteil zu kurz ist, hat der Kleidgegner einen natürlichen Begründungspunkt, an dem die Gegenargumentaion wahrscheinlich scheitert. Paßt aber das Kleid, kann man ihn getrost nach Begründungen suchen lassen. Er findet nichts leicht widerlegbares, weil es keinen Grund gibt, wenn das Kleid paßt. Klar kann es vorkommen, daß man mit Ausweichmanövern, unpassenden Abstraktionen, fragwürdigen Autoritäten und ähnlichem rhetorischen Finessen kämpfen muß, aber wenn man hartnäckisch am konkreten Kleid bleibt, bleibt ihm keine Chance. Es gelegentlich amüsant jemand auf diese Weise dazu zu bringen, sich in Widersprüche zu verwickeln.
Als ich mich erst wenige Wochen mit dem Rock in die Öffentlichkeit getraut hatte, fragte mich eine Frau, wo ich den Rock für Männer gefunden habe. Da nichts gegen die Annahme, daß sie das einfach aus Neugier gefragt habe, sprach, gab ich ihr selbstverständlich wahrheitsgemäß Auskunft, und fügte den Hinweis, daß es bei den Hosen tragenden Frauen am Anfang wohl ähnlich gewesen sei, hinzu. Sie bestätigte darauf, daß sie selbst eine Hose aus der Männerabteilung trug, was mich dann doch überraschte, weil sie sehr ausgeprägte weibliche Formen hatte. So ist es nun mal mit den Passformen der entsprechenden Kaufhausabteilungen.
"erweiterte Männerabteilung" ist übrigens eine nette Bezeichnung. Mal sehen ob ich im Alltag Gelegenheit finde, sie einzusetzen. Ich bin aber nicht mehr gewöhnt, etwas gefragt zu werden, wo es sinnvoll ist, sie in die Antwort einzufügen. Originelle Formulierung auf Lager zu haben, ist aber auch so gut.
Gruß,
Jo