Autor Thema: Die Sache mit der Gewöhnung und Selbsteinschätzung  (Gelesen 2588 mal)

Offline cephalus

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Am vergangenen Wochenende hatte ich morgens ohne mir besondere Gedanken zu machen ein langes selbstgemachtes Hemd übergezogen (schwerer, weiser Stoff, Länge bis Mitte Oberschenkel) und dazu eine weitgehend blickdichte schwarze Strumpfhose. In meinen Augen bequem, aber nicht öffentlichkeitstauglich. (Wenn ich darüber nachdenke habe ich hierfür keinen logischen Grund)

Gegen Abend ruft meine Schwiegermutter an, sie würde uns gerne zum Essen einladen und sie hätte auch schon einen Tisch reserviert – in 30min…

Also schnell noch etwas anderes anziehen.

Meine Frau bremst mich: „warum, sieht doch gut aus, nur andere Schuhe solltest du anziehen (Espandrilles als Hausschuhe genutzt)

Ich suche mir trotzdem etwas anderes, weil ich mich vermutlich nicht wohl fühlen würde zu diesem Ort und Anlass.

Gestern habe ich selbiges Outfit nochmal einer Bewertung durch einen Freund unterzogen:

„so kannst Du doch nicht rausgehen, und dann noch in ein Restaurant“.

Das hatte ich so auch erwartet, frage aber trotzdem nach warum.

" Äh. .., ja, die Strumpfhose - Nein, das Hemd - ohne Jeans sieht es aus wie ein Kleid, ach was, einfach alles!
Rock ist ja noch ok, daran habe ich mich schon fast gewöhnt."


Im Allgemeinen scheint die Gewöhnung der wesentliche Faktor bei der Akzeptanz anderer Bekleidung zu sein, zum Teil so stark, dass ich manchmal Zweifel habe, ob meine Frau noch ein guter Ratgeber ist, wenn es darum geht nicht den Bogen zu überspannen, in dieser Richtung - von farblich nicht passenden Herrenklamotten würde sie mich abhalten.

Und manchmal kommt mir der Gedanke ich hätte über meinen Schatten springen und die Reaktionen testen sollen - speziell der Schwiegereltern  ::)

Cephalus
 

Offline Peter

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Re: Die Sache mit der Gewöhnung und Selbsteinschätzung
« Antwort #1 am: 13.04.2017 14:12 »
... dass ich manchmal Zweifel habe, ob meine Frau noch ein guter Ratgeber ist, wenn es darum geht nicht den Bogen zu überspannen, ...

Vielleicht überspannt nur sie den Bogen und hofft, dass du irgendwann schon soooooowas von ins Messer läufst und den Quatsch dann sein lässt?  ;)

LG

Peter
Jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zuruecksehnen werden.

Offline high4all

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Re: Die Sache mit der Gewöhnung und Selbsteinschätzung
« Antwort #2 am: 13.04.2017 14:13 »
Letzlich musst Du entscheiden, was Du in der Öffentlichkeit trägst. Trotz aller Ratschläge liegt es alleine in Deiner Verantwortung und nicht in der Verantwortung Deiner Frau.

(Mit dem beschriebenen Look wäre ich nicht ins Restaurant gegangen. Aber das ist meine persönliche, unmaßgebliche Ansicht.)

LG
Hajo
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Offline Leder-Glocke

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Re: Die Sache mit der Gewöhnung und Selbsteinschätzung
« Antwort #3 am: 13.04.2017 14:45 »
Ich denke man bekommt die eigene Befindlichkeit reflektiert... Wenn Du Dich unwohl fühlst, wird das nix....


Offline Tine

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Re: Die Sache mit der Gewöhnung und Selbsteinschätzung
« Antwort #4 am: 13.04.2017 15:53 »
Im Allgemeinen scheint die Gewöhnung der wesentliche Faktor bei der Akzeptanz anderer Bekleidung zu sein, zum Teil so stark, dass ich manchmal Zweifel habe, ob meine Frau noch ein guter Ratgeber ist, wenn es darum geht nicht den Bogen zu überspannen, in dieser Richtung - von farblich nicht passenden Herrenklamotten würde sie mich abhalten.

Hallo Cephalus,

sicher ist Gewöhnung ein ganz schwergewichtiger Anteil dabei, wenn es darum geht, etwas zu beurteilen. Es ist eigentlich völlig egal um was es dabei geht. Etwas, was wir gewohnt sind, macht uns weniger Angst.
Vor einiger Zeit habe ich eine Maus beobachtet. Seelenruhig saß sie im Park und hat irgendwas gefressen. Sie war es gewohnt, dass alle Nase lang Leute vorbeigelatscht kommen. Hätte sie bei jedem Spaziergänger so reagiert wie die Feldmaus ein paar Tage später, nämlich halbpanisch ins Unterholz flüchten, wäre sie wahrscheinlich schon verhungert oder nur noch nachts aktiv.
Ähnlich kam es mir bei Arbeitern auf der Autobahn vor, die mit Seelenruhe hinter ein paar windigen Baken unterwegs waren, wo ich mit hoher Wahrscheinlichkeit vor Angst kaum einen geraden Schritt hätte tun können, weil ich ständig geschaut hätte, ob nicht doch einer aus der Spur gerät und mich über den Haufen fährt.

Die Gewöhnung spannt den Bogen um das, was man nicht weiter beachten muss, weil es keine Gefahr darstellt. Insofern sind die Leute, die zum ersten Mal oder nur ganz selten mit dem Anblick eines Mannes im Rock konfrontiert werden, ganz anders unterwegs im Kopf, als eine Ehefrau, die sich den ungewöhnlichen Gewohnheiten ihres Gatten täglich stellen muss und sie daher gewöhnt ist. Sie wird deshalb wahrscheinlich langsam aber sicher die Wirkung seiner Kleidung auf die Außenwelt weniger stark einschätzen, als sie vermutlich ist. Die Frage ist nur, wie genau möchtest Du die Reaktion der Außenwelt vorhergesagt haben?

Ähnliches unterstelle ich ja auch den meisten hier im Forum, dass sie sich selbst schon so sehr an ihren eigenen und den Anblick der andern Rockfreunde gewöhnt haben, dass sie den Blick des "normalen Betrachters" gar nicht mehr einschätzen können, sich aber dessen ganz und gar nicht bewusst sind.

Viele Grüße
Tine

PS: Ich selbst habe (rückwirkend betrachtet) bei meinem Gatten auch eine Gewohnungsphase durchlaufen und im Laufe der Zeit manches als tragbar klassifiziert, was mir am Anfang nicht in die Tüte gekommen wäre. Das gleiche galt aber auch für die restliche Familie, natürlich in geringerm Umfang, weil man sich seltener gesehen hat.

Offline Dr.Heizer

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Re: Die Sache mit der Gewöhnung und Selbsteinschätzung
« Antwort #5 am: 13.04.2017 21:09 »
Die Sache mit der Selbsteinschätzung:
maches, was ich früher für "experimentierwürdig" empfand, trage ich heute nicht mehr, weil es mir an mir nicht mehr gefällt. Anderes, was ich früher nicht als "erste Wahl" tragen wollte, hat sich mittlerweile etabliert als Lieblingsteil. Und es sind neue Dinge dazugekommen, die ich sehr gerne mag und trage, weil sie mir schon immer gefielen, unabhängig davon, was andere davon hielten.
Das Problem ist wirklich, dass man nicht alles, was einem an anderen gefällt, nicht wirklich gut selbst tragen kann - umgekehrt ist manches, was andere tragen und nicht vorteilhaft wirkt, die Topsache für einen selbst.
Fazit: es gibt nichts, was an allen gut ausieht. Es muss einem einfach nur gefallen und passen

Die Sache mit Gewöhnung:
Man gewöhnt sich an alles, heißt es. Wenn man andere sanft an etwas neues gewöhnt - also nicht zwingt, sondern überzeugend und gewinnend auftritt -, kann die neue Sache sich auch stark von der bisher gewohnten unterscheiden. Genau wie der Kleidungsstil. Man gewöhnt sich auch selbst an das Tragegefühl von Kleidung, man gewöhnt sich an das Geschau der anderen.
 Hat man sich daran gewöhnt, einfach man selbst zu sein, egal, was man trägt, hat man weniger Geschau und mehr Freude dabei. Dazu kommen noch nette Unterhaltungen! :)

 Ein guter persönlicher Geschmack mit einem hohen Selbstbewusstsein bewahren vor groben Fehlern, kleine werden weggelächelt. An einen freundlichen Gesichtsausdruck kann man sich nämlich auch gewöhnen und kommt mit seinem eigenen Geschmack - oder nun besser: eigenen Stil - leichter durchs Leben, als wenn man unsicher wäre, sich und andere ständig fragen würde, ob man dies oder jedes tragen/tun/lassen sollte.
Viele Grüße aus dem Vogtland, Dr.Heizer


 

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