Hallo Michael,
Deine Gedankenspiele um die Wirkung solcher zweireihigen Reissverschlüsse mögen zwar vielleicht ebenso eine Rolle spielen, weshalb sich das in bestimmten Kreisen mit dem Latz erhalten hat.
Der Latz ist aber auch ein Relikt einer sehr urtümlichen Form von Hosen.
Bevor ich da näher drauf eingehe, will ich einen kurzen (?

) Ausflug über den Latz machen.
Ein Hosenlatz an der Hose macht eine Hose noch nicht zur Latzhose.
Wir alle wissen, wenn der Latz offen steht, dann wird da Bezug drauf genommen, dass der Reißverschluss vorne offensteht. Mit "Latz" verbindet man heute eher diesen einen Reissverschluss bzw. die Öffnung, die der Reissverschluss der Hose ermöglicht.
Aber nicht alle Hosen mit einem Reissverschluss (oder Knöpfung) vorne sind deswegen Latzhosen.
Latzhosen und Latzröcke haben einen Oberbau, der über den Gürtel hoch Richtung Brustkorb geht. Siehe die Arbeiterlatzhose. Oder den Latzrock bzw. das Latzkleid. Dieses Stoffteil wird als Latz bezeichnet. Es wird mit Trägern über die Schultern gehalten. Es kann auch nur noch als ein Mittelteil irgendwo am Brustkorb zusammengeschrumpft sein - sowas wie ein Steg zwischen den Trägern, wie es bei einer Seppl-Hose bei Trachten oft vorkommt - meist noch mit Hirschstickungen verschönert, meist aus Leder, wie die Riemen der Träger selbst.
Aber auch das Lätzchen greift diese Schematik auf. Und Latz wird heutzutage oft eben als ein Stück Stoff (oder Leder) bezeichnet. Auch Frauen haben früher durchaus für ihre Oberbekleidung am Oberkörper einen Latz getragen: Ein Stück Stoff (oft reich verziert), das die Brustschnürung der Unterbekleidung verdeckte und das in die sonstige Oberbekleidung eingesteckt wurde.
Auch unterhalb der Gürtellinie funktioniert die Bezeichnung Latz für ein Stoffstück (oder Lederstück). Auch hier wieder bei der Trachtenhose (Sepplhose) ist es oft das breite Stück mittig, das meist zweiseitig befestigt ist (links, rechts = 2 Öffnungen) im Gegensatz zu heute alltäglichen Hosen mit dem "Hosenlatz" (eine Öffnung mit Reißverschluss oder seltener Knöpfen). Dieses breite Stoffstück ist der eigentliche Latz einer Hose (wie gesagt, bei modernen Hosen nur noch durch eine einzige Öffnung wegrationalisiert).
Ja, und bei diesem breiten Stoffstück sind wir eben bei dem Erscheinungsbild der Zunfthose - bzw. dem Zunftrock.
Welchen Vorteil es hat - neben den wirkmächtigen Gestaltungsideen von Michael -, naja, jedenfalls, um den Unterkörper freilegen zu können, wenn man die Notdurft verrichten will (vor allem dazu, andere Gründe seien denkbar).
Goethe schrieb: "gewohnheit der männer, die hand in den latz zu stecken", das die Gebrüder Grimm so kommentierten: "die neumodische art, bei langen unterkleidern (gemeint sind Hosen) die hand in den latz zu stecken", vermutlich meinten sie eher 'Unart'.Doch das ist nicht der wirkliche Grund, weshalb sich Lätze entwickelt haben. Lätze stammen aus der Urform der Hosen.
Denn Hosen (in der Bedeutung 'Schlauch') bezeichneten - wie die meisten von uns wissen - erst einmal Strümpfe (Beinlinge) - mit oder ohne Fußteil - manche wurden ohne Schuhe gar als Stiefel getragen. Und diese Schläuche wurden mit 'Strapsen' oder ganz ohne oben an einem Gürtel um den Bauch befestigt - genestelt, wie man auch sagte. Und zwar mit Bändern. Das lange Obergewand hat diese Gegend um den Unterleib verdeckt. Deswegen kann das der ganze Unterbau gewesen sein. Oft aber gab es auch dort schon den Vorläufer einer Unterhose, was eigentlich nur ein längliches Tuch war, das in den Gürtel (oder Bauchstrick) vorn und hinten eingefasst war - wie man das manchmal bei Zeichentrickfilmen aus dem Urwald noch sieht - oder tatsächlich bei Naturvölkern.
(mit mehr oder weniger aussen überfallendem Tuch - schürzenmässig - oder der äussere Überhang irgendwie verdrillt weggesteckt als offensichtlicher Ledenschurz - eine Art öffentlich getragene Windel, ohne Saugfunktion im Gegensatz bei Kleinkindern)Dieses Tuch als Vorläufer der Unterhose wurde irgendwann auch mal am Gürtel festgebunden, wurde irgendwann mal prächtiger gestaltet, so dass man es auch vorzeigen konnte. Die Oberbekleidung (Mäntel, Kleider) wurden kürzer und legten diese Region nach und nach frei.
Parallel dazu wuchs das Tuch (auch Bruoche genannt - ursprünglich so eine Art Windel) immer mehr mit den Beinlingen zusammen. Bevor sie fest vernäht wurden, wurden sie jahrhundertelang eher mit Kordeln oder Bändern zusammengebunden (genestelt).
Dieser Werdegang erklärt die zweiseitige Öffnung des "Latzes". Zwei Reissverschlüsse - links und rechts von der Mitte - symbolisieren noch die alte Verbindung, die früher recht aufwändig jeden Tag, bei jeder Notdurft, gebunden bzw. wieder gelöst werden musste.
Und der Mittelteil am Unterleib, der allmählich zur kompletten Hose gewachsen war, bekam die Bezeichnung 'Latz'. Was aber eine Übertragung auf dieses Stoffteil war. Letztlich bezeichnet "Latz" gemäß ital.
laccio (Schnur, Schnürung) einfach nur die Bänder, womit Mittelteil links mit dem linken Strumpf und rechts mit dem rechten Strumpf zusammengebunden war.
Und diese Bezeichnung des (breiten) Hosenlatzes hat sich auch auf den Latz der Latzhose, des Latzrocks und auf das Lätzchen für Kleinkinder und Alte übertragen. Und ja - auch da steht ja zumeist auch irgendwas zum Binden (vergl. ital.
laccio) im Zusammenhang.
Die Lätze der Zunftkleidung greifen also etwas sehr Traditionelles auf.