Hallo Piper,
mich wundert es, dass es dem Pärchen, der anderen Pensionärin und der Reitbeteiligung auf dem Hof so gleichgültig ist, was du anhast, ist Mann im Rock doch nicht alltäglich.
Sie haben alle ein Alter, wo sie doch nicht so zurückhaltend sein sollten, dass sie aus reiner Höflichkeit nicht Fragen stellen würden oder es nicht wägten.
Ich denke, wäre ich persönlich nicht interessiert oder selbst, wenn es mir dagegen und unverständlich wäre, dass du im Rock gingst, würde ich doch aus reiner Neugier dich (oder deine Freundin) darüber höflich fragen, wenn auch nicht das erste Mal, dann nach einiger Zeit. Oder ich würde fragen, weil ich mich dazu verpflichtet fühlen würde, sei ein totales Schweigen ja eigentlich eine Zumutung, oder?
Zum Beispiel:
„Weißt du, wir haben darüber gesprochen, dass du oft im Rock gehst. Man sieht es ja eigentlich sehr, sehr selten, aber du beweist ja, dass es möglich ist. Gehst du schon lange im Rock, und wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen? Hast du Probleme damit gehabt?“
Oder:
„Ah, einen schwarzen Rock hast du heute an. Früher haben wir dich auch im Jeansrock gesehen. Gehst du oft im Rock, und wie bist du auf die Idee gekommen? Nur in der Freizeit oder auch zur Arbeit? Was sagen deine Kollegen dazu? Gehört nicht viel Mut dazu?“
Etc., etc.
Ist doch nicht so schwer.
Gruß
Gregor
Deine Aussagen sind eigentlich berechtigt, ABER...
Der Hofbesitzer stammt aus der Umgebung von Winterthur, und ihm ist der Brauch der Frackwoche ein Begriff. Daher, hat er mich schon beim ersten aufeinandertreffen gefragt, wie es denn mit Bart gewesen sei. Daraufhin habe ich ihm vom Rock erzählt, und er hat es mit einem Minimum an Verwunderung akzeptiert. Daher wussten er und seine Partnerin vom ersten Tag an Bescheid über meine Rocktragerei. Als ich dann das erste mal mit Overknees aus dem Auto gestiegen bin, hat mich der Hofbesitzer erstaunt auf die Stiefel gedeutet und gefragt, ob ich direkt von einem Studentenverbindungstreffen kommem Meine Antwort: "Nö. Ich muss nicht einer Verbindung angehören, um solche Stiefel zu tragen." Damit war das Erstaunen gegessen. Die Hofbesitzerin hat mich etwa erst zwei Wochen später beim Heuballen schleppen ganz interessiert gefragt, was das für Stiefel seien...
Generell muss ich sagen, dass die Menschen auf diesem Hof weder zurückhaltend sind, noch aus reiner Höflichkeit keine Fragen stellen. Sie sind alle äusserst aufgeschlossen und zugleich sehr tolerant.
Ich glaube, ich sollte an diesem Punkt mal die Personen mit Namen einführen, weil es das Erzählen deutlich vereinfachen wird:
Hofbesitzerpaar: Petra und Fredy
Reitbeteiligung: Alex(andra) (reitet ein Pferd von Petra)
Pensionärin: Joschika
Meine Freundin: Anna (ist ebenfalls Pensionärin)
Thor: Mein/Annas Dalmatiner
Nun denn, zurück zum Thema "reine Höflichkeit / Zurückhaltung": Heute Abend half ich Petra, acht Kunststoffbalken wegzuräumen. Dazu trug ich schon wieder die grauen, flachen Overknees und den kurzen, schwarzen Falten-Mini. Ich überlegte mir gerade, ob ich Petra mal darauf ansprechen sollte, ob sie eigentlich gar keine Probleme mit mir im Rock habe. Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, als Anna (in Jeans und Trekkingschuhen) mit Thor spielend über den Hof gerannt kam. Da sagte Petra an uns beide gewandt: "Bei euch ist "Mann" und "Frau" irgendwie überhaupt nicht klassisch verteilt. Er mit dem kurzen Rock, sie mit den Hosen..." Darauf antwortete ich: "Ja, ich weiss, aber da hab ich mich schon längst daran gewöhnt. Die Frage, ob sie bei uns die Hosen anhat, habe ich schon sooo oft gehört, das ist nichts neues mehr." und mit einem Grinsen im Gesicht habe ich nachgeschoben:" Weist du, Anna hat schon die Hosen an, aber ich sage welche!" Schallendes Lachen war die Antwort.
Rock und Stiefel waren auf diesem Hof noch nie Anlass für eine abwertende Bemerkung in meine Richtung. Im Gegenteil:
Fredy fragt ab und zu mal nach, und ist dann mit der Antwort vollauf zufrieden und akzeptiert, was ich trage.
Petra spricht mich eher selten auf meine Kleidung an, aber wenn, dann sehr interessiert.
Joschika pflegt mein Auftreten in Rock und Stiefeln jeweils mit einem breiten Grinsen zu quitieren, hat sich aber noch nie darüber mit Worten geäussert.
Alex hat beim ersten Anblick meiner Overknees (mit Jeans) ein anerkennendes "coole Schuhe" fallen gelassen. Beim Sylvester-Raclette bin ich neben ihr gesessen. Dabei habe ich zum ersten Mal Mammut-Rock und Mustang-Stiefel getragen. als ich zur Türe reinkam, hat sie mich ganz kurz mit grossen Augen gemustert. Als ich neben ihr sass, warf sie ab und zu einen verstohlenen Blick auf Rock und Stiefel - und den Rest der Zeit hat sie (manchmal mehr, manchmal weniger) mit mir geflirtet. Ich habs natürlich nicht gemerkt, doch Anna hat's mir auf der Rückfahrt im Auto grinsend erklärt...
Nun, das sind ungefähr die gesammelten Reaktionen der Leute des Hoft auf meine Kleidung. Überhaupt nicht besonders spektakulär, ich weiss, doch total angenehm, weil ich kein geglotze und keine dummen Sprüche ertragen muss. Im Gegenteil: Auf diesem Hof ist meine unkonventionelle Kleidung ein Grund für ein Lächeln, ein Kompliment, eine interressierte Frage und ein offenes Gespräch - jedoch in solch homöopathischer Dosis, dass es mir schon fast zu wenig ist. Ich weiss, ich sollte mich nicht beklagen. Schliesslich ist das jammern auf sehr hohem Niveau. Unter dem Strich muss ich sagen, dass ich eigentlich total glücklich bin, dort ein Umfeld zu haben, das mich ohne wenn und aber so akzeptiert wie ich bin.