Autor Thema: Der Rock kratzt offenbar am Selbstverständnis vieler Männer  (Gelesen 6654 mal)

Offline Skirtedman

  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 11.546
  • Geschlecht: Männlich
  • Mann ohne Hose muss nicht nackt oder sonstwas sein

Was aber, wenn ein Mann auch alle anderen Erwartungen ablehnt? Wenn er zwar zu seiner biologischen sexuellen Identität steht, aber sämtliche gesellschaftliche Gender-Konstrukte von Männlichkeit ablehnt und dennoch nichts anderes ist und sein will als ein Mann? Er weint öffentlich, der lässt sich von seiner Frau beschützen, er hat lange Haare, aber sonst keine Körperhaare (ob von selbst oder entfernt, sei dahin gestellt) usw. usf. 

Und diesem Mann sagen wir nun, er solle doch bitte ein "echter" Mann sein, wenn er Rock trägt, und meinen mit "echter Mann" nicht sein biologisches Geschlecht, sondern die Erfüllung von sozial konstruierten Gender-Erwartungen von Männlichkeit.

Engen wir damit die Möglichkeiten Mann zu sein nicht sehr ein?

LG, Micha

Zum letzten Satz (die Frage):
Nein, "wir" erweitern die Möglichkeiten des Mannseins, ohne zu viel Männlichkeit durch Nutzung dieser Möglichkeiten einzubüßen.

Aber zum Hauptteil des Zitats:
Nein. Denn Du redest von "einem Mann", einem spezifischen Individuum.

Ein einzelnes Individuum - so reif ist inzwischen unsere Gesellschaft - gestehen die meisten Menschen zu (vielleicht nicht dessen engste Mitmenschen), zu tun und lassen, was es will. Und sei es ein rosa schillerndes Einhorn, so würden die meisten Leute dieses Individuum ungeschoren dessen Ding durchziehen lassen. Und übertreibt es dieses Individuum, dann wird es eben allgemein als Spinner oder als queer abgestempelt.

Es geht nicht um ein einzelnes Individuum, sondern es geht um die allgemeine Gesamtheit der Männer, zumindest eine nenneswerte Anzahl davon.

Freiheit im Tun für die Männer wird es erst dann für jeden einzelnen Mann geben, wenn eine nennenswerte Anzahl der Männer sich diese Freiheiten nimmt und diese Männer von der Gesellschaft noch immer als Männer akzeptiert werden und nicht als Spinner, queer oder individuelle Ausrutscher abgestempelt werden.
Dass Männer nur Hosen tragen, ist weder körperlich noch geistig gesund.
Wie tief muss der psychische Knacks wohl sein, dass Männer sich nicht endlich auch mehr Freiheiten gönnen!?

Offline MAS

  • Für ein großherziges Forum ohne Ausgrenzung!
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 27.685
  • Geschlecht: Männlich
  • Toleranz ist gut, Respekt ist besser!
    • IFN
  • Pronomen: Unwichtig
Na ja, man kann auch Mann und Spinner sein. Davon gibt es mehr als genug. Wobei es ja auch darauf ankommt, was er spinnt.

Worauf es mir aber ankommt: Wenn wir einen Menschen beurteilen, dann aufgrund von Idealvorstellungen, die wir selbst konstruieren. Wichtig ist es m.E. dabei, selbstkritisch die Motive unseres Konstruierens zu hinterfragen und die Kriterien der Beurteilung zu verstehen. Viele Kriterien sind selbst soziale Konstrukte, die wir all zu oft wie Naturgesetze wahrnehmen. Das sind sie aber nicht, sondern es besteht die Möglichkeit, auch andere Kriterien zu entwickeln und anzuwenden. Manchmal lässt es sich mit anderen Kriterien sogar besser miteinander leben. Solche Kriterienveränderungen kommen oft vor. Somit ändern sich dann soziale Konstrukte und somit dann Kultur.

Auch deshalb trage ich gerne Rock: Um das Denken der Menschen in Bezug auf Genderklischees zu verändern.

Und ja, ich werde als Mann wahrgenommen, empfinde mich auch als Mann, und wenn ich von einigen als Spinner wahrgenommen werde, dann am ehesten von denen, die dringend eine Kriterienveränderung nötig hätten.

Ich muss zum Zug.

LG, Micha 
Wer das Leben ernst nimmt, muss auch über sich lachen können.

ACHTUNG! Ich verbiete ausdrücklich, Texte oder Bilder, die ich hier einstelle, ohne meine ausdrückliche Erlaubnis auf andere Seiten zu kopieren!

Offline GregorM

  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 8.396
  • Geschlecht: Männlich
    • Wie wär's mit einem Kilt?
  • Pronomen: Er
Es sollte genügen, dass jeder sich selbst ist. Dann sollte die Rechnung stimmen. Unter der Voraussetzung, dass mutige Männer nicht schief verteilt sind.

Sich selbst zu sein kann aber sehr unterschiedlich ausfallen, lieber Gregor. Und nicht jeder wird von anderen Menschen so akzeptiert oder respektiert, wie er er selbst ist.

LG, Micha



Richtig, lieber Micha, aber das ist dann unabhängig von getragender Kleidung.

Gruß
Gregor

Offline MAS

  • Für ein großherziges Forum ohne Ausgrenzung!
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 27.685
  • Geschlecht: Männlich
  • Toleranz ist gut, Respekt ist besser!
    • IFN
  • Pronomen: Unwichtig
Es sollte genügen, dass jeder sich selbst ist. Dann sollte die Rechnung stimmen. Unter der Voraussetzung, dass mutige Männer nicht schief verteilt sind.

Sich selbst zu sein kann aber sehr unterschiedlich ausfallen, lieber Gregor. Und nicht jeder wird von anderen Menschen so akzeptiert oder respektiert, wie er er selbst ist.

LG, Micha



Richtig, lieber Micha, aber das ist dann unabhängig von getragender Kleidung.

Ja, natürlich, lieber Gregor.

LG, Micha
Wer das Leben ernst nimmt, muss auch über sich lachen können.

ACHTUNG! Ich verbiete ausdrücklich, Texte oder Bilder, die ich hier einstelle, ohne meine ausdrückliche Erlaubnis auf andere Seiten zu kopieren!


Offline Uckermärker

  • Lieber Rock-Star als Hosenträger
  • Hero
  • ****
  • Beiträge: 683
  • Geschlecht: Männlich
  • Der Tragekomfort von Röcken ist unübertroffen :-)
    • https://www.instagram.com/juf_gallery/?hl=de
  • Pronomen: Er
Ich denke ein Mann im Rock zeigt der Welt: "Ich bin mutig, unabhängig und traue mir das!"

Mittlerweile habe ich eher das Gefühl "bewundert" als "belächelt" zu werden.
Vielleicht liegt es auch daran, dass eine Hose in meinem Leben nur noch bei Dreckarbeiten vorkommt und ich nicht mehr so rüber komme: "Huch ich trage einen Rock".

Ich denke sehr oft darüber nach, was eigentlich Weiblichkeit ausmacht - Frauen wollen Einzigartigkeit - Männer suchen lieber den "Schutz" der Masse:

Wenn ich so eine Gala sehe - Alle Männer im Smoking - Differenzierung über Farbe und Muster des Einstecktuches oder Krawatte/Fliege.

Dagegen wenn zwei Frauen (natürlich unwissend) das gleiche Kleid tragen, ist das eine Katastrophe!

Ob Männer aus der Rolle fallen dürfen, fängt ja schon damit an, ob Männer ein rosafarbenes Oberhemd tragen dürfen.
Gegen den Strom schwimmen & Anderssein wagen hält lebendig! Nur Mut!

Offline cephalus

  • Team
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 8.153
  • Geschlecht: Männlich
    • muenchengefluester
    • Münchengeflüster

Ob Männer aus der Rolle fallen dürfen, fängt ja schon damit an, ob Männer ein rosafarbenes Oberhemd tragen dürfen.

Vor einiger Zeit hätte ich das auch so formuliert,  heute würde ich dürfen durch wollen ersetzen.

Sofern die Mitmenschen Abweichungen überhaupt bemerken, ist es ihnen egal.
Soweit egal, dass jegliche Bemerkung ausbleibt.

Zumindest in meinem Umfeld erlebe ich das so.

Offline MAS

  • Für ein großherziges Forum ohne Ausgrenzung!
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 27.685
  • Geschlecht: Männlich
  • Toleranz ist gut, Respekt ist besser!
    • IFN
  • Pronomen: Unwichtig
Das mit dem "wollen" ist so eine Sache: So manches, was uns als unser freier Wille vorkommt, ist sozial konstruierte Vorstellung dessen, was geht und was nicht geht. So haben eben viele Männer eine Scheu vor vermeindlich femininen Mustern, Formen, Farben, weil sie ein Gefühl entwickelt haben, dass das von Mitmenschen schräg angesehen würde, auch wenn das gar nicht der Fall sein sollte. Bis diese soziale Konstruktion aufhört, dauert es einige Jahre bis Jahrzehnte, in denen genug mutige, eigensinnige Menschen vorgelebt haben, dass es sehr wohl geht. Deren Anblick und Akzeptanz formt dann neue soziale Konstrukte.

LG, Micha
Wer das Leben ernst nimmt, muss auch über sich lachen können.

ACHTUNG! Ich verbiete ausdrücklich, Texte oder Bilder, die ich hier einstelle, ohne meine ausdrückliche Erlaubnis auf andere Seiten zu kopieren!

Offline Skirtedman

  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 11.546
  • Geschlecht: Männlich
  • Mann ohne Hose muss nicht nackt oder sonstwas sein
Ja, Micha, das hast Du sehr schön ausgedrückt; sehr nüchtern und ohne Vorwurf, ja, die Realität fast "schöngeredet".

In der Tat ist es wohl so, dass Männer, verglichen mit Frauen, sich wohl extrem schwertun, neue "soziale Konstrukte" an sich zuzulassen. Sie haben förmlich Angst davor, aus der Rolle zu fallen. Ich kann nur nochmal meine Worte wiederholen, die ich seit einigen Wochen in meiner Forums-Signatur stehen habe: "Wie tief muss der psychische Knacks wohl sein, dass Männer sich nicht endlich auch mehr Freiheiten gönnen?"

Und dabei hat sich Lila, aber auch Rosa, als Hemdfarben an Männern doch längst etabliert. Lila bereits Ende der 80er. Und damals wurde die Symbolfarbe Lila, die für den Feminismus stand, förmlich dekonstruiert. Lila und Rosa sind als Hemdenfarben längst zugelassen und tausende Male gesehen. Und doch ist das in der breiten Masse nicht angekommen.

Neue Symbole, die dem Männlichkeitsschema bisher nicht entsprachen, werden exzentrischen Menschen zugestanden - oder diese als exzentrisch deklariert - und selbst Vorleben von Prominenten - ich nehme mal Thomas Gottschalk in meiner Orientierungsphase - trägt nicht dazu bei, Neues in die Männermasse zu tragen. Denn Prominente und Exzentriker haben ein gewisses Recht, aus der Menge auszuscheren, aber Gerhard, Hans und Manuel eben nicht. Denn sie wollen nicht von ihren Mitmenschen als Exzentriker angesehen werden.

Frauen hingegen sind viel empfänglicher, was von Exzentrikerinnen vorgelebt wird. So schaffen Promis wie Madonna, Britney Spears oder Taylor Swift Akzente zu setzen, die sich genügend Frauen trauen, aufzufangen und in abgemilderter Variante in die breite Masse der Frauen zu tragen. Männer sind hierbei überfordert. Weil ihnen diese Variabilität abgesprochen wurde, seit Kindesbeinen, nein, seit Kinderwagenrädchen.

Und tatsächlich, fremden Menschen ist es mittlerweile ziemlich egal, was man so treibt. Aber die nahestehenden Personen sind die, die dann zu einem Mann, der plötzlich im rosa Hemd vor ihnen steht, einen entsprechenden "korrektiven" Kommentar abgeben. Und ist es nicht die eigene Frau, die den Mann in seinem Rosa vielleicht sogar noch unterstützt, dann ist es irgendein Kumpel oder ewig gestriger Cousin, der was sagt und gegen das Rosa wettert. Das macht es einem Mann schwer, über die bisherigen eingefahrenen Bahnen hinaus zu agieren.

Trotzdem bleibt uns Betroffenen nicht sehr viel mehr übrig, als darauf zu hoffen, alte Männlichkeitsbilder mit unserem Vorleben neu zu formen und einige Männer auf den Geschmack zu bringen, nicht mehr so eng sich "von den Mitmenschen" bevormunden zu lassen.
Dass man sich nicht bevormunden lassen muss, zeigen viele von uns, dass es geht ohne, aus der Gesellschaft ausgestoßen zu werden.

Und diese Beispiele sind wichtig für die breite Masse an Männern, eigene Barrieren im Kopf vielleicht mal in Frage zu stellen.

So lässt sich der Rock als ewiges Sinnbild für Weiblichkeit vielleicht auch mal dekonstruieren.
Dass Männer nur Hosen tragen, ist weder körperlich noch geistig gesund.
Wie tief muss der psychische Knacks wohl sein, dass Männer sich nicht endlich auch mehr Freiheiten gönnen!?

Offline hirti

  • Routinier
  • *****
  • Beiträge: 3.255
  • Geschlecht: Männlich
  • rockt.
  • Pronomen: Er
Viel wahres schreibst du, Skirtedman.

Vor allem stimme ich mit dir überein, dass ich mit meinem Rocktragen etwas schönes lebe und erlebe. Und wenn es jemand möchte, dann lebe ich es auch gerne vor.
Dort wo es mir möglich ist, trage ich meine besondere Mode und vielleicht beobachtet mich auch insgeheim irgendein Mann oder eine Frau, der/die auf diese Weise erkennt, dass unsere Gesellschaft viel weiter ist als er denkt und er seine Träume durchaus leben kann.

Offline MAS

  • Für ein großherziges Forum ohne Ausgrenzung!
  • Legende
  • ******
  • Beiträge: 27.685
  • Geschlecht: Männlich
  • Toleranz ist gut, Respekt ist besser!
    • IFN
  • Pronomen: Unwichtig
Ja, ich stimme da auch zu.

LG, Micha
Wer das Leben ernst nimmt, muss auch über sich lachen können.

ACHTUNG! Ich verbiete ausdrücklich, Texte oder Bilder, die ich hier einstelle, ohne meine ausdrückliche Erlaubnis auf andere Seiten zu kopieren!


 

SMF 2.0.19 | SMF © 2020, Simple Machines | Bedingungen und Regeln

go up