Am vergangenen Wochenende hat eine sehr gute Freundin meiner Frau geheiratet und wir waren zur Hochzeitsfeier eingeladen. Fünf Wochen zuvor war meine Frau bereits zum Junggesellinnenabschied, wo sich die Mädels auch zur Feier ein bisschen beraten haben. Die Braut, die mich schon im Rock auf einem Mittelalterfest gesehen hatte, meinte wohl: "Na Albis kommt doch dann bestimmt im Rock." Diesem "Befehl" folgte ich natürlich sehr gern.
Sowohl bei der Begrüßung als auch zum Abschied hat mir die Braut deutlich gesagt, wie sehr sich sich freut, dass im Rock erschienen bin, denn damit würde ich einen erheblich Beitrag zur Diversität der Hochzeitsgesellschaft leisten. Die Feier fand in Berlin statt und der Großteil der Gesellschaft kam aus der linksgrünversifften Ecke, sodass dort meines Erachtens nicht zwingend der Bedarf an Beispielen zur Diversität bestand. Aber dann wurde klar, dass gerade die ältere Verwandtschaft der Braut eben doch nicht in der großen Stadt leben und gewisse Bilder (d.h. Menschen in alternativer Kleidung) eben doch nicht so oft sehen. Ich habe mich jedenfalls gefreut und es war eine sehr schöne Feier.
Im September sind wir zur nächsten Hochzeit eingeladen, es heiratet eine Cousine meiner Frau. Das wird wahrscheinlich eine eher konservative Veranstaltung, zu der ich wohl brav in Hosen gehen werde, denn das Brautpaar soll ja im Mittelpunkt stehen.
Hattet Ihr schon vergleichbare Situationen?
LG, Albis
Ich habe mir lange überlegt, ob ich hier noch einmal etwas schreibe. Die ewigen Off-Topic Postings und Grundsatzdiskussionen um des Kaisers Bart haben mich lange Zeit davon abgehalten, hier nochmal etwas zu schreiben.
Da Albis nett nach Erfahrungen fragt und es – gerade in letzter Zeit – einige Neuzugänge im Forum gibt, und ich etwas Content zum Thema „Hochzeitsgast im Rock“ beitragen kann, äußere ich mich an dieser Stelle:
Meine Frau und ich haben im letzten Jahr von einem gut befreundeten Paar (Ü60, jetzt Ehepaar) die Einladung zur Teilnahme an ihrer Hochzeit erhalten, die im Herbst 2024 stattgefunden hat. Die Braut kennen wir seit ca. 10 bis 15 Jahren (so ganz genau weiß ich es gar nicht mehr) und den Bräutigam seit ca. 2 Jahren.
Auf der Einladungskarte haben sie geschrieben, dass sie „festliche Bekleidung“ der Hochzeitsgäste wünschen. Eine genauere Beschreibung des Dresscodes, z.B. „white tie“, „black tie“, „tuxedo“, „semi-formal“, „smart casual“ etc., gab es nicht.
Da das Paar mich seit 3 (damals 2) Jahren ausschließlich im Rock, Scottish Kilt (Royal Stuart Tartan) oder Utilitykilt (utilikilts.com) kennt und ich so auch immer in der Öffentlichkeit unterwegs bin, habe ich beide auf Ihre Vorstellung von „festlicher Kleidung“ der Hochzeitsgäste angesprochen und ob es o.k. wäre, wenn ich einen Rock oder Kilt bei ihrer Hochzeit tragen würde.
Beide haben das sehr positiv aufgenommen; die Braut meinte gar, ich sollte doch bitte auf jeden Fall einen Rock tragen. Denn sie weiß, dass ich Hosen überhaupt nicht mehr anziehen mag (so wie Skirtedman) und sagte, dass ich mich an ihrem Hochzeitstag wohl fühlen und mich nicht in Hosen zwängen solle. Das war natürlich ideal für mich und die Entscheidung gefallen.
Die Braut trägt übrigens häufig und zu allen Jahreszeiten gern Kleider und Röcke. Ich würde sie als modeaffin und gut informiert bezeichnen, z.B. auch, dass in den letzten Jahren vermehrt Männer in Röcken auf internationalen Modeschauen präsentiert wurden.
Ich hatte mich dann für folgendes Outfit entschieden:
1. Maßgeschneiderten Wickelrock aus schwerem Baumwoll Twill in A-Linie, etwa knielang, in Burgund-Rot, jeweils 3 abgenähte Falten an rechter und linker Seite, Schnitt siehe hier:
https://davesbrand.com/en/products/barker-negro 2. 7cm breiter schwarzer Gürtel:
https://www.amazon.de/stores/DayneQ/Guertel/page/5CB9C2CF-F7A9-42B4-9DCD2506FA3B13F13. Graues Herrensakko, ehemals Teil eines Maßanzugs, den ich mir vor etlichen Jahren in Thailand habe schneidern lassen. Für die Kombination mit dem Rock habe ich das Sakko bei einer Änderungsschneiderei kürzen lassen, so dass es von den Proportionen passt.
4. Weißes Hemd
5. Dunkelroter Seidenschaal (statt Krawatte)
6. Strumpfhose Burgund-Rot in 80den von Snagtights:
https://snagtights.de/products/80-denier-opaque-tights-burgundy?_pos=17&_fid=783f13142&_ss=c7. Schnür Boots in Schwarz von Guess
8. Socken von Snocks in Weinrot (Sonderedition, m.W.n. nicht mehr erhältlich).
Das Outfit sollte im angehängten Bild zu sehen sein, wenn es mit dem Hochladen klappt. Habe es dennoch beschrieben, da nicht jeder hier Zugangsrechte zum Öffnen von Bildern hat.
Die Hochzeit fand an einem sonnigen, aber tagsüber ca. 12°C max kühlen Tag im Herbst statt, spät nachts waren es dann nur noch ca. 3°C. Rock, Jacke und Strumpfhose waren warm genug.
Die Hochzeitsgäste wie auch das Brautpaar stammen aus einem Milieu, das ich als großstädtisch-bürgerlich-liberal-konservativ bezeichne.
Nun zu den Reaktionen anderer Hochzeitsgäste:
Ich hatte etliche Komplimente für mein Outfit bekommen. Hauptsächlich von anderen Hochzeitsgästen, die mich kennen und vor allem vom Brautpaar. Das hat mich natürlich sehr gefreut.
Eine Frau, ca. 40 Jahre alt und die ich nicht kannte, hat mich beim small talk gefragt, warum ich denn einen Rock trage. Ich habe ihr erzählt, dass ich vor ein paar Jahren im Sommer in Deutschland bei über 40°C einfach in ein Geschäft gegangen bin, einen Rock anprobiert und gekauft habe. Ich war begeistert, wie angenehm sich ein Rock trägt und habe Gefallen am Tragen von Röcken gefunden. Ich möchte die gleiche Auswahl bei Kleidung haben wie Frauen auch. Sie meinte, dass es gut aussehe und das war es dann zum Thema.
Im Nachgang zur Hochzeit habe ich vom Brautpaar erfahren, dass sie von etlichen Gästen auf meinen Rock angesprochen wurden und die Reaktionen ausnahmslos positiv waren.
Als Fazit halte ich fest:
- Es muss nicht eine Hochzeit im linksgrünversifften Milieu sein, um als männlicher Hochzeitsgast einen Rock zu tragen.
- Da es der Ehrentag des Brautpaars ist, halte ich es für keine schlechte Idee, vorher mit diesem über den Wunsch, als Mann im Rock an der Hochzeit teilzunehmen, zu sprechen. Ggf. kann die Einladungskarte und dort aufgeführte Bekleidungswünsche an die Gäste oder eben auch das Fehlen von Bekleidungswünschen (Dresscode) als Aufhänger für das Gespräch dienen. Wenn das Brautpaar einen im Rock kennt, macht es das natürlich leichter.
Von daher kann ich Albis und alle anderen nur ermuntern, es auch bei einer Hochzeit im „konservativen“ Milieu zu versuchen!
Ich bin gespannt auf Eure Erfahrungen!