Hallo Ihr Kiltfans,
ich fahre ein Auto. Auch wenn ein Stern vorne und hinten drauf ist, so ist es immer noch ein Auto. Mir ist es egal, ob jemand Auto dazu sagt oder die nähere Präzisierung wählt. Ich brauche das nicht als Statussymbol, sondern als Fortbewegungsmittel; gekauft hab ich es mir nur, weil es mir zum Zeitpunkt des Kaufs als beste Möglichkeit erschien. Nicht anders sehe ich es mit den Röcken: wenn ein Herrenrock, egal ob vom Designer oder aus der traditionellen Ecke, für meinen Zweck am geeignetsten erscheint, dann wähle ich den, und wenn es einer aus der Damenabteilung ist, dann greife ich dort zu. Gibt es ihn weder hier noch dort, dann gehe ich zur Schneiderin meines Vertrauens und lasse machen ...
Ach, wißt Ihr was? Wegen mir bleiben ein Teil meiner Röcke auch Damenröcke, ja und? Ist das schlimm? Wenn eine Frau einen Pullover aus der Herrenabteilung trägt stört sich niemand daran. Wieso also sollte es jemanden stören, wenn Mann einen Rock aus der Damenabteilung trägt? Natürlich weiß ich, daß es solche Zeitgenossen gibt. Aber was sagen diese Menschen damit aus? Ist das nicht eine Abwertung des weiblichen? Nein, das will ich nicht. Ich achte meine Frau als Menschen sehr. Deswegen kann ich mich nicht abwerten, wenn ich Kleidungsstücke trage, die vom Hersteller eigentlich für diese Zielgruppe produziert wurden.
Und wenn wir schon mal bei dem Thema sind: Was glaubt Ihr, was passiert, wenn morgen irgendein Trendsettter den Durchbruch mit rosa Seidenröcken in der Herrenmode schafft? Ich garantiere Euch, dann werden sofort alle rosa Seidenröcke, die jetzt in den Damenabteilungen der Kaufhäuser hängen, in die Herrenabteilung geschoben und umetikettiert - und niemand wird sich daran stören! Nee, falsch, die werden verpackt, nach Asien geschickt, dort umetikettiert, und kommen dann zurück in die Herrenabteilungen!
Tut mir leid, Leute, aber ich bin jetzt seit 27 Jahren in Vertrieb und Marketing tätig, da kann mich sowas nicht mehr beeindrucken. Ich hinterfrage jedes mich interessierende Produkt: welchen Sinn macht das für mich? Die Werbeaussage hat höchstens unterhaltende Relevanz. Zu genau weiß ich, was Werbung kostet, und zu genau weiß ich wieviel Geld durch erfolglose Werbekampagnen in den Sand gesetzt wird (nur niemand kann vorher sagen, welche Erfolg hat). Deswegen ist es vollkommen logisch, dass Hersteller und Anbieter sich ihre Zielgruppe, also die Gruppe von Menschen bei der sie am meisten Geld verdienen können (zumindest von der sie es glauben), vorher möglichst präzise eruieren und dann ihre ganze Verkaufsstrategie, also von der Gestaltung des Produkts über die Werbung bis hin zur Produktpositionierung, darauf abstimmen. Aber glaubt mir, keiner der Anbieter hat etwas dagegen, wenn eine andere Zielgruppe unerwartet zugreift. Im Gegenteil, wenn das bekannt wird, dann wird die gesamte Kampagne neu ausgerichtet um aus dieser Gruppe noch größere Erträge zu erzielen.
Für mich heißt das: wenn ich eine Öffnung der Herrenmode erreichen will, dann greife ich zu genau diesen Produkten - und mache genau das publik. Also: je lauter, desto eher werde ich vernommen. Genau da liegt nämlich das Problem mit der Herrenmode: zu wenige Männer machen dazu noch zu leise darauf aufmerksam, dass sie mit dem derzeitigen Angebot nicht zufrieden sind. Ein leise vor sich hin stöhnender Bierkutscher wäre nicht vernommen worden. Aber in dem Moment, wo er laut und deutlich auf das Problem aufmerksam machte und eine Lösung gleich mitbrachte, da wurde er vernommen und seine Lösung gleich begutachtet und erprobt. Genau so geht es, und genau so mache ich es auch, auch wenn ich 100 Mal laut werden muss ehe ich vernommen werde.
Gruß
Jürgen