Lieber JoHa, lieber Ulrich,
an Euren Berichten sehe ich wieder deutlich, wie sehr es uns als moralische Konvention beigebracht wurde, dass man als Mann Hosen trägt und keine Röcke und auch eine große Angst davor, dieser Konvention zuwiderzuhandeln und von anderne Menschen, und seien es kleine Mädchen, beargwöhnt zu werden. Zwar wissen wir, dass wir nichts Unmoralisches tun, dass wir mit dem Rocktragen niemandem schaden, ja dass es ein Zugewinn an Freiheit und Freude ist, wenn wir Röcke tragen, nicht nur für uns, sondern könnte es auch für die Mitmenschen sein, wenn sie sich dafür öffnen würden. Wir sehen es ja auch bei nicht wenigen Mitmenschen, dass sie auf unser Rocktragen gleichgültig bis postiv reagieren, und nur ganz selten reagiert jemand negativ. Und doch ist diese Angst in uns, die sich nur langsam im Laufe der Jahre abbaut.
Was ich mit Unmut beobachte ist, dass dieses in meinen Augen unsinnige Konvention kleinen Kindern nach wie vor beigebracht wird, oft nicht bewusst, sondern gewissermaßen selbstverständlich. Das liegt wohl daran, dass die Eltern sie genau so internalisiert haben, wie wir, nur dass wir dagegen ankämpfen, sie nicht. Das Dagegen-Ankämpfen verdankt sich wohl einem Leiden an ihr, das wir empfinden, die meisten Menschen aber nicht.
Wir leiden am Hosen-tragen-Müssen, vielen Männern ist das grundsätzlich kein Thema. Oder wenn doch, verusacht die Vorstellung, von anderen beargwöhnt, komisch anguckt oder auch nur gefragt zu werden, noch größeres Leid.
Und da sind wir wieder bei uns: Auch die meisten von uns würden ihre Röcke lieber ganz selbstverständlich, normal, unhinterfragt tragen und haben Angst vor den Blicken und Fragen der Leute. Damit müssen wir umgehen können, wenn wir öffentlich Röcke tragen. Auch das muss man lernen. Und man kann es lernen, wobei es verschiedene Strategien gibt, vom Ignorieren der Blicke über harsche Antworten bis zu geduldigem und freundlichem Antworten. Ich habe alle drei schon ausprobiert. Das harsche Antworten und Zurechtweisen ist nur in wenigen Fällen empfehlenswert, da es zwar Souveränität zu zeigen scheint, aber auch Konflikte herbeiführen kann. Ignorieren auf der Straße ist sicher das, was ich meistens mache, meistens sogar unabsichtlich, weil ich gar nicht mehr daran denke, dass jemand gucken könnte. Aber wenn mich jemand freudlich oder zumindest nicht unfreundlich fragt, bekommt er eine freundliche Antwort.
So, Frühstück.
LG, Micha