Schade, dass man sowas wieder schlechter machen muss, als es ist...
Alleine, dass ein Mann im Rock im öffentlich rechtlichen Fernsehen zu sehen ist, wäre früher nicht denkbar gewesen...
Statt sich darüber zu freuen, verliert man sich wieder in Diskussionen um Begriffe, Kategorien und "Schubladen", die eigentlich niemand braucht... 
Hallo Nasenbaer, dass man sich angesichts des ESC-Erfolgs nun wieder in Begriffsdiskussionen verliert, verstehe ich auch nicht ganz. Dass es Kategorien und Schubladen sind, die niemand braucht, sehe ich aber nicht.
Die einen wie die anderen brauchen dies wohl. Und dass es hier von uns thematisiert wird, liegt daran, dass der Künstler Nemo ganz klar sich als Botschafter bestimmter Kategorien oder Schubladen sieht.
Die Tatsache, dass er ein "schillerndes" Kostüm trägt, den Rock eingeschlossen, ist an diese Schubladisierung ganz klar als Merkmal geknüpft. Und das lässt nicht jeden von uns Rockträgern völlig kalt.
Denn genau gegen diese Schubladisierung sträuben sich ja viele. Sie, mich eingeschlossen, wollen nicht in eine Schublade gesteckt werden, in der sie sich nicht zuhause fühlen.
Hätte Justin Timberlake den Song performt und wäre in dieses Kostüm geschlüpft, hätte das eine ganz andere Botschaft gesendet. Eine Botschaft, wonach einige Rockträger sich sehr danach sehnen: Nämlich anders sein zu dürfen, ohne einer Schublade anzugehören, bzw. der einzigen, die spätestens seit der Geburt festgestellt wurde: dass man ein Mann ist.
Eine Erklärung von - bleiben wir bei - Justin Timberlake, dass er das Outfit einfach angezogen hat, weil er es schön oder meinetwegen bequem findet, hätte eine völlig andere Wirkung erzielt.
Ich gönne Nemo diesen Erfolg, ich gönne ihm, dass er seinen Schubladen zu mehr Respekt verhilft. Dennoch verknüpft er sein Lied, sich selbst und auch das Outfit mit der Aussage: "Ich fühle mich weder als Mann noch als Frau". Damit unterstützt er die Vorurteile, die Männern gegenüber gehegt werden, wenn sie sich fürs Röcketragen interessieren.
Wer als Mann Röcke tragen möchte, aber sich als Mann fühlt, bekommt dadurch keine direkte Unterstützung.
Dass so wenig Männer Röcke tragen, liegt nicht am fehlenden Interesse. Sondern es liegt daran, dass von der Muttermilch an so viele Hürden eingebaut wurden, dass sie sich das einfach nicht trauen. Das ist so tief in der Persönlichkeit eingebaut, dass ein burschikoses Aufmuntern "Mensch, stell Dich nicht so an!" nicht ausreicht, um die vielschichtig tiefsitzenden Ängste abzubauen.
Gäbe es diese Hürden nicht, wir bräuchten dieses Forum nicht. Oder allenfalls ein Forum mehr, wie es Foren gibt für Eisenbahnfans oder Passatfahrer.
Diese Hürden sind der einfache Grund, weshalb eben nicht jeder hier im Forum bedingungslos klatscht und sagt: "Endlich ein Mann im Rock". Sondern dass ein sichtlicher Mann im Rock dasteht, aber gleichzeitig behauptet, er sei weder Mann noch Frau, ist also etwas, was hier im Forum notwendigerweise diskutiert wird.
Besten Gruß,
Wolfgang