Danke für den Beitrag, lieber rockfreund!
In dem ca. dreieinhalb Minuten langen (kurzen) Beitrag geht es ja hauptsächlich um den Modedesigner Pasqualetti und die Frage "Warum nicht mal ein Rock?" Das ist mehr als berechtigt.
Die historischen Hintergründe von Kleidung bei Männern und Frauen werden leider nur kurz und sehr oberflächlich angerissen.
Immer wieder kommen solche Audiobeiträge vor allem im Kulturbereich des Hörfunks, z.T. mit etwas mehr Tiefgang, z.B. hier:
https://www.swr.de/swrkultur/programm/genderfluide-mode-maenner-mit-roecken-und-perlenketten-als-zeichen-des-identitaetswandels-100.htmlhttps://www.swr.de/kultur/gesellschaft/warum-werden-roecke-fast-nur-von-frauen-getragen-108.htmlLeider wird das meist auf die GenZ und Genderfluidität verengt.
Es kommt - nach Meinung des Modeexperten Carl Tillessen vom deutschen Modeinstitut - darauf an, dass der Trend nicht nur auf die GenZ beschränkt bleibt, sondern die Gen X und Y auch erfasst wird. Tillessen sieht einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel.
Frau Prof. Anne Söll dagegen verweist kurz auf die historische Dimension (französische Revolution) und beschreibt die gesellschaftlichen Machtverhältnisse als Wurzel für den Unterschied von Männer- und Frauenkleidung.
Für Männer sei es gesellschaftlich nicht attraktiv, von Ihrer Macht etwas abzugeben und typisch weibliche Attribute anzunehmen. Deshalb sei typisch weiblich konnotierte Kleidung für Männer nicht von Interesse.
Es lohnst sich, beide von mir verlinkten Podcasts dazu auch anzuhören.
Und wirklich mehr Hintergründe zum Thema gibt es in der Fachliteratur zur Modegeschichte.
Z.B. hier:
- "Angezogen - Das Geheimnis der Mode" von Prof. Barbara Vinken, ISBN 978-3-608-94896-7
- "VER-KLEIDEN" von Prof. Barbara Vinken, ISBN 978-3-7017-3570-9
Fr. Prof. Vinken beschreibt unter Berufung auf den britischen Modehistoriker John Carl Flügel - m.M.n. sehr präzise und nachvollziehbar - dass es mit der Umwälzung des Gesellschaftssystems durch die französische Revolution 1789 und des Aufstiegs des bürgerlichen Zeitalters zu einer qualitative Umkehrung der bisherigen Kleiderordnung gekommen ist. Ursprünglich, so Flügel, waren die Frauen das bescheidenere, schamhafter angezogene und bedecktere Geschlecht. Und Männer (Anm.: v.a. adelige Männer) das schönere und prunkendere Geschlecht. Der männliche Körper wurde durch Kleidung stark sexualisiert.
Die adeligen Männer trugen Kleidung, die danach im bürgerlichen Zeitalter den Frauen vorbehalten waren: Z.B. kurze Röcke, Beinlinge aus kostbarer Seide (Vorläufer moderner Strumpfhosen), Schuhe mit Absatz, generell schimmernde und edle Stoffe wie Samt, usw. Sie schmückten sich, trugen Perücken und trugen Rouge auf. Das galt bis zur französischen Revolution als maskulin.
Dagegen galt in der bürgerlichen, postrevolutionären Gesellschaft die Abkehr von der Kleidung des männlichen Adels als Ideal und verkörperte sich im männlichen Anzug. Gedeckte Farben, ähnliche Schnitte - alles im Grunde bis heute gleich geblieben. Der Mann sollte nicht durch Körper und Kleidung wirken, sondern Charakter, Geist und Leistung waren die männlichen Ideale. Die Sexualisierung des Körpers, das lustvolle Verdecken und Zeigen von Haut, transparente Stoffe, Ausschnitte usw. war ab da den Frauen vorbehalten.
Seit einigen Jahren ist jedoch ein Wandel im Gang. Nicht zuletzt durch die sog. Fitness-Welle. Männliche Körper werden wieder zur Schau gestellt. Und damit einhergehend auch eine langsame Abkehr von den Werten männlicher Kleidung. Das ist v.a. in der sog. Athleisureware zu beobachten. Knallige Farben (z.B. Auswärtstrikot der Herren DFB-Nationalmannschaft für die EM 2024 in rosa/lila, bunte Sportschuhe), enge und körperbetonte Schnitte (Lauftights, usw.).
Und seit einigen Jahren schon ist der Trend auf den Laufstegen bei Herrenkollektionen zu beobachten, dass ungefähr seit 3 bis 5 Jahren weibliche Kleidungsstücke und weibliche Techniken der Produktion eines reizenden Körpers übertragen werden: Kleider, Röcke, Nagellack, Schminke, Corsagen, Farbenprunk, Spiel von Haut und durchsichtigen Stoffen, Seide und glänzende Satins, Spitzen, Blumen, Schleifen, Handtaschen, Schuhe (Ballet Flats),...
Sicher, wir werden erst in ein paar Jahren rückblickend wissen, ob das auch tatsächlich in der Breite, im Mainstream (auf der Highstreet) ankommt. Eine Eintagsfliege ist es jedenfalls nicht mehr.