Es gibt nur vielleicht eine Handvoll Tage im Jahr, an denen ich meine Haustür und meinen Straßenzug nicht verlasse.
Und ich kann mich tatsächlich nicht mehr erinnern, wann zuletzt ich in Hosen in der Öffentlichkeit war. Ich kann nur mutmaßen, dass es vielleicht 11 Jahre her ist.
Ich kann also ganz viel von Alltagssituationen berichten, in denen man als Mann im Rock bzw. Kleid sich im Laufe seiner Jahre befindet.
Zu weniger alltäglichen Situationen fällt mir aber auch immer irgendetwas ein, was in vergleichbare Richtung geht, denn nach über 40 Jahren Rockerfahrung in der Öffentlichkeit, erlebt man auch außergewöhnliche, nicht alltägliche Begebenheiten.
Insofern soll es Euch nicht wundern, dass mir zu
Johns Erlebnis in der Menge des Weihnachtsmarkts auch einiges einfällt, das ich für vergleichbar halte.
Besonders
cephalus´ Hinweis auf z.B. Taschen oder Hunde, die nichtsahnend auf einmal in der Menge unter einem auftauchen, finde ich wertvoll. Manchmal tauchen Hunde urplötzlich auf, wo man sie gar nicht vermuten würde. Ich hatte schon mal einen Fall, wo der Hund nicht ablassen konnte, seinen Kopf unter meinen Midi-Rock zu stecken.
Oder urplötzlich tapsen kleine Kinder rum in einer stehenden Menschenmenge, wo man Kleinkinder beileibe nicht vermutet hätte (und keinem Kleinkind wünscht, sich dort gerade aufhalten zu müssen).
Mir jedoch fällt eine ganz besondere Begebenheit ein. Von neulich. Es war Ende Oktober.
Ich glaube, mir war es bisher noch nicht wert, hier im Forum davon zu berichten.
Ich stand in einem ländlichen Nest mit einem Kumpel auf einem Dorffest. Ich trug einen knielangen Rock.
Wir trinken Bier um die Zeit zu überbrücken bis zum Zug in der Ortschaft 2 km weiter über den Hügel. Wir sind zwei Schritte zurückgetreten vom Bierstand, um Leute dranzulassen, gucken aber noch zum Stand. Hinter unseren Rücken ein kleine Ansammlung älterer, naja mittelalter Damen, vier, fünf oder so. Keine Ahnung, ob sie versuchten anzustehen, oder ob sie einfach da standen, bereits versorgt mit Getränken. Uns beide hat das nicht gekümmert.
Nach einigen Minuten höre ich eine der Damenstimmen eher etwas von unten kommend. Oder war es ein sonstiger, nicht formulierter Laut? Und hatte ich etwa irgendwas an meinen Beinen gespürt? Jedenfalls bemerkte ich irgendetwas unerwartetes, schaute irgendwie so an mir runter und sah einen diffusen Schatten im Bereich bzw. eher hinter meinen Füßen.
Ja, ich stand eher stabil, also mit etwas breitbeinigem Stand da.
Wie ich mich umdrehte, sah ich, wie eine der älteren Damen in bückender Haltung irgendwie - auf den ersten Blick so zu deuten - auf dem Boden suchte.
Auffallend nur, dass in der nach unten reichenden Hand ein Handy war, in einer Stellung, wie wenn man im dunklen Kino irgendetwas auf dem Boden suchen würde - nur da halt mit eingeschalteter Taschenlampen-Funktion. Aber wir waren nicht im Kino, sondern auf der Straße. Und es war nicht dunkel, sondern taghell. Die Sonne wollte gerade erst gleich untergehen.
Wie ich mich umblickte, ging ein Raunen durch die kleine Damengruppe. Die gebückte Dame richtete sich sofort wieder auf, zog die Hand und das Handy hoch, so schnell das in ihrem mittelalten Alter eben noch ging. Ich maß der Aktion keine weitere Bedeutung mehr zu, sondern richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf mein Bier in meiner Hand und auf meinen Kumpel, der von allem nichts weiter mitbekam.
Hinter mir hörte ich nur: "Hast Du es?", fragte eine der Damen. Die äußerste des Damenhalbrunds hinter uns, die, die sich gebückt hatte, sagte: "Ja, ich glaub." Und ich hörte noch wie eine, vermutlich die erste, sagte: "Komm, lass uns schnell weggehen!" und leichtes Gelächter war noch in der gesamten Szenerie.
Etwa 2 Minuten später sah ich aus dem Augenwinkel jene Bückdame, wie sie knapp 10 Meter seitwärts von uns mit ihrer mutmaßlichen Tochter Schulter an Schulter stand und ihr das Handy zeigte. Der Blickverlauf von Bückdame und um eine, zwei Reaktionssekunden versetzt von der mutmaßlichen Tochter entnahm ich, dass sie über mich sprachen, während sie anschließend wieder ins Handydisplay sich vertieften.
Die Bückdame machte gerade eine der typischen Zweifingerbewegungen, um die Anzeige auf dem Handy zu vergrößern, da kam ich bei ihnen an und sagte: "Darf ich einmal bitte sehen, was Sie da aufgenommen haben?"
Die Tochter, total erschrocken, machte eine ihre Mutter wohl schützende Handbewegung, um das Handy aus der eher Waagerechten mit dem Display gegen den Körper der Bückdame zu drehen. Aber im Affekt schlug sie wohl ungewollt das Handy aus der Hand ihrer Mutter, so dass diese nur durch jonglierende Hand- und Fingerbewegungen das zu fallen drohende Handy auffangen konnte. Da kamen dann vermutlich mehrere unbeabsichtigte Berührungen des Touchscreens dazwischen. Ich erhaschte nur noch einen Blick auf das Display von einer Oberfläche einer Social-Media-Plattform, also ein Chat von sagen wir Whatsapp. Ein paar kurze gegenseitige Worte (kurze Sprechblasen) waren auf dem Display zu erahnen, aber auch darin eingestreute ringfingernagelgroß dargestellte Bilder, die man aber in ihrer Kleinheit auf den ersten Blick nicht weiter identifizieren konnte.
Ich redete ihnen ins Gewissen von wegen "Ich könnte Sie anzeigen", oder à la "Auch Frauen ist das Fotografieren unter Röcke verboten" (so gewählt hatte ich das aber nicht formuliert). Sie schauten mich nur groß an, sagten keinen Mucks und die Tochter drückte das Handy wie versteinert gegen ihrer Mutters Brust.
Ja, wie Ihr es aus der Schilderung schon ahnen konntet: Ich vermute ganz stark, dass bei den Damen im Halbkreis hinter uns die eine auf die freche Idee kam, unter meinen Rock mit ihrem Handy zu fotografieren. Vermutlich hatte sie auch Zeit, mehrere Bilder anzufertigen bis ich irgendetwas davon mitbekam.
Dann wurde es ihnen mulmig, gingen weg, und Frau Bückdame musste schnell ihrer erwachsenen Tochter, die paar Meter weiter stand, ihre Trophäe stolz zeigen. Vermutlich musste Mutter die Tochter erst einmal aufklären, was genau sie nun gezeigt bekommt, drum machte sie die Tochter auf mich aufmerksam, Mutter blickte als erstes, Tochter folgte ihrem Blick, dann anschließend genauer auf das Display.
Ich hätte aus dem Ganzen einen ziemlichen Rabatz machen können. Ich aber beließ es dabei, mahnende Worte auszusprechen und sie dann mit ihrem Glück einer einzigartigen Trophäe alleine zu lassen.
Natürlich finde ich es nicht schön, so hinterrücks ausspioniert zu werden. Auch wenn es an Dreistigkeit kaum zu überbieten ist, gönne ich aber ihnen den Anblick meines Prachtbeutels. Strumpfhosen trug ich keine, aber Unterhosen in derselben Farbe wie der Rock. Sollen sie sich glücklich schätzen, so etwas zu sehen zu bekommen. Ich könnte mich furchtbar aufregen. Aber ich lasse ihnen ihren Spaß. Als Rockträger ist man eben mehr verletzlich. Aber die Vorteile des Rocktragens (Wohlbefinden) sind viel größer als die Nachteile, die irgendeine angeschickerte übergriffige Alte mit einem dummen Manöver mir für ein paar Sekunden bereitete.